Das Leben ist eine Performance
Transgender-Künstlerin präsentiert in Graz begehbare Malerei.
GRAZ. Es spritzt. Schwarze Farbe auf einem monströsen weißen Bühnenaufbau, zugleich auch Flüssigkeit aus unterschiedlichen menschlichen Körperöffnungen, die auf Gemälden und Grafiken zu sehen sind. Weiters zu sehen: Dildos, Geschlechtsorgane und andere eindeutig mehrdeutige Gesten und Formen. „Es ist ein präpubertäres Spiel mit sexuellen Symbolen“, sagt Ashley Hans Scheirl, die grell und auffällig gekleidet auf einem roten Teppich ihrer Ausstellung „Genital Economy Posing“im Grazer Künstlerhaus steht.
Die in Salzburg geborene Künstlerin, die sich als „Transmedia Künstlerin“versteht, hat die Ausstellungshalle in eine begehbare, aus Objekten, Malerei, Schriften und Aufbauten bestehende Installation verwandelt. Im Zentrum dieses Zwitters aus Laufsteg und Bühne prangt eine erhobene Faust, doch es ist kein bloßes Symbol der Macht, sondern eben auch wieder eine libidinöse Anspielung. Die eigene Sexualität, das private Körpergefühl und das Infragestellen von Identitäten sind Fixpunkte in der Kunst von Scheirl, die als Angela geboren wurde, sich seit dem 40. Geburtstag Hans nennt und seit zwei Jahren zusätzlich noch den Unisex-Vornamen Ashley führt.
Die Grenzen zwischen Mann und Frau verschwimmen ebenso wie jene zwischen den Kunstgattungen: Scheirls Parcours der Sinnesirritationen ist ein vielschichtiges, plakatives Bekenntnis zum Überwinden von Denkgrenzen. „In der Ausstellung möchte ich die Zirkulation meiner Körperteile mit der Zirkulation der verwendeten Medien überlagern“, sagt Scheirl, die im Vorjahr auch auf der documenta 14 mit Arbeiten präsent war. Ob die Weltkunstschau bei Scheirl etwas verändert hat? „Ja, es gibt viel mehr Aufmerksamkeit und Anfragen, ich habe unter anderem heuer Personalen in einer Pariser Galerie und im Salzburger Kunstverein.“
Über der raumgreifenden Grazer Inszenierung thront ein „Selbstporträt mit grünem Ohr“. Witzig und nachdenklich. Eine aktuelle Arbeit, die einmal über mehr subjektive Befindlichkeit berichtet. Das Innen drängt nach außen: Das ganze Leben ist eine einzige Performance.