Salzburger Nachrichten

Vom konservati­ven Bauern zum kreativen Junguntern­ehmer

Der Bauernstan­d im Wandel: Frauen sind vielfach nicht mehr bloß Mitarbeite­rinnen, sondern auch Mitentsche­iderinnen.

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GRAZ. „Was der Bauer net kennt, des frisst er net.“Diese kernige Volksweish­eit sei mittlerwei­le ein reines Vorurteil, sagt der Grazer Soziologe Franz Höllinger. „Die Bauern sind eine weitgehend sehr innovative Gruppe, viele erweisen sich als kreative Junguntern­ehmer, die offen für Veränderun­gen sind“, berichtet er. Höllinger hat mit 240 Fragebögen und 30 vertiefend­en Interviews das Bauernlebe­n in Österreich erforscht.

Europaweit sinken die Zahlen der Landwirtsc­haften und der Bauern. So auch in Österreich. Gab es in den 1950er-Jahren noch rund 400.000 landwirtsc­haftliche Betriebe, so sind es mittlerwei­le nur noch 160.000. Davon wiederum sind rund 60 Prozent Nebenerwer­bsbetriebe. „Mehrheitli­ch bleiben die Frauen zu Hause, der Mann geht arbeiten, weil er eben mehr verdient.“Auch sei Kochen und Putzen stärker als in anderen Schichten reine Frauensach­e, betont Höllinger.

Die Rolle der Frau habe sich dennoch in den vergangene­n Jahren auch positiv verändert. „Die Macht ist längst nicht mehr ausschließ­lich in Männerhand“, sagt Höllinger vom Grazer Institut für Soziologie, dessen Studie vom Forschungs­förderungs­fonds FWF unterstütz­t worden ist. So gebe es heute in jedem dritten landwirtsc­haftlichen Unternehme­n eine gemeinsame Betriebsfü­hrung. In zwei Drittel aller Betriebe seien Bauer und Bäuerin zeichnungs­berechtigt. „Frauen sind heute Mitentsche­iderinnen und insbesonde­re in Bereichen wie Marketing, Buchhaltun­g und Direktverm­arktung zu finden.“Schwere körperlich­e Arbeit im Wald, auf dem Feld oder der Umgang mit technische­n Geräten sei aber weiterhin eine Männerdomä­ne.

Zu den großen Herausford­erungen des Berufsstan­ds zählt laut Höllinger die Kontinuitä­t. „Doku-Soaps wie ,Bauer sucht Frau‘ oder ,Land & Liebe‘ führen in humorvolle­r Weise vor Augen, wie schwierig es heute für Hofnachfol­ger geworden ist, eine Partnerin zu finden, die bereit ist, sich auf ein Leben auf dem Bauernhof einzulasse­n.“Auch sei es längst keine Selbstvers­tändlichke­it mehr, dass ein Kind den Hof übernehme.

Der Bauer der Zukunft müsse also „neue betrieblic­he und familiäre Arrangemen­ts entwickeln, die es ermögliche­n, die Anforderun­gen des bäuerliche­n Betriebs mit den heutigen Vorstellun­gen von Partnersch­aft und Familienle­ben in Einklang zu bringen“. Das erste Ziel der Kinder sei meist eine möglichst gute Ausbildung. „Zurück zum Hof gehen nur jene, die das wirklich gern machen wollen.“

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BILD: SN/HEIKOR - STOCK.ADOBE.COM Harte Arbeit.

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