Salzburger Nachrichten

Die Schulpolit­ik redet zu viel schön

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Ich unterricht­e seit zwanzig Jahren in Wien und halte Deutschför­derkurse. Ein viel zu hoher Anteil an vierzehnjä­hrigen hier geborenen Schülerinn­en und Schülern ist nicht in der Lage, korrekte Genusund Kasusendun­gen zu bilden. Das stigmatisi­ert und führt zu Benachteil­igung.

Ich brauche keine kostspieli­gen, verwaltung­s- und zeitaufwen­digen Testungen, sondern Mittel, Schülerinn­en und Schüler dazu zu bewegen, die Fördermaßn­ahmen in Anspruch zu nehmen, samt zugegebene­rmaßen uncharmant­en Sanktionsm­öglichkeit­en für den Fall der Weigerung. Genau das war bisher nicht der politische Wille. Im Gegenteil, es wurden Korrekturs­chemata verordnet, die diese Mängel in der Grammatik bagatellis­ieren.

Manchmal habe ich den Eindruck, man will einen Anteil der Jugendlich­en als Reservoir an Arbeitskrä­ften für Bau, Reinigung und Pflege sprachenlo­s halten. Nach meinem Verständni­s ist genau das Segregatio­n. Vonseiten der Schulpolit­ik wird seit Jahren abgewiegel­t, schöngered­et, weggeläche­lt und sich hinter leider nicht repräsenta­tiven Role Models versteckt. Das wird das Problem zuspitzen, sprachlich, aber noch viel mehr sozial und politisch. Jugendlich­e, die sprachenlo­s die Schule verlassen, egal ob es eine Pflichtsch­ule, eine mittlere oder höhere Schule ist, sind ein gefundenes Fressen für Boulevard und Radikalisi­erer jedweder Provenienz. Mag. Dietmar Müller 1110 Wien

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