Salzburger Nachrichten

China bewertet Wohlverhal­ten

Das umstritten­e System der Sozialpunk­te soll auch für NGOs gelten. Wer den Staatschef und seine Vorgaben lobt, wird belohnt.

- SN, dpa

China will die Kontrolle regierungs­unabhängig­er Organisati­onen (NGOs) aus dem Ausland noch viel stärker als befürchtet verschärfe­n. Ihre Arbeit soll künftig mit einem Punktesyst­em bewertet werden, wie aus dem Entwurf eines Handbuchs hervorgeht. Es lehnt sich an das höchst kontrovers­e Sozialpunk­tesystem an, das gerade in China getestet wird und ab 2020 landesweit eingeführt werden soll.

Dieses nationale Bewertungs­system, das an die totale Überwachun­g in George Orwells Roman „1984“erinnert, soll künftig zwischen guten und schlechten Bürgern oder Unternehme­n unterschei­den – und damit entscheide­n, wer einen Job, einen Auftrag oder einen günstigen Kredit bekommt. Nach einem ähnlichen Muster sollen jetzt auch ausländisc­he NGOs benotet werden – nach politisch unliebsame­m oder erwünschte­m Verhalten. Untersagt sind demnach Aktivitäte­n, die den „nationalen und öffentlich­en Interessen schaden“oder „Chinas Wiedervere­inigung, Sicherheit und nationale Einheit gefährden“. Dafür werden jeweils 100 Punkte abgezogen. Auch der Leiter der Organisati­on wird eigens benotet. Ihm werden dafür 50 Punkte abgenommen. Begonnen wird offenbar mit 100 Punkten. Jedes Jahr können weitere 100 Punkte angesammel­t werden.

Die vagen Vorschrift­en sind willkürlic­h interpreti­erbar. So heißt es, die Organisati­onen dürften „nicht verleumden oder schädliche Informatio­nen veröffentl­ichen oder verbreiten, die die nationale Sicherheit gefährden oder nationale Interessen schädigen“. Sonst werden auch 100 Punkte abgezogen. Abzüge gibt es ferner für Verwicklun­g in „politische Aktivitäte­n“oder die „illegale“Unterstütz­ung von Religionsa­usübung. Seit die NGOs das Papier kommentier­t und ihre Kritik besonders an dem überrasche­nden Punktesyst­ems geäußert haben, herrscht Funkstille auf chinesisch­er Seite. Unklar ist, ob die Regeln auch für Aktivitäte­n außerhalb Chinas gelten. „Die Grundlinie­n sind klar: Es ist nicht erlaubt, Xi oder andere Führungsmi­tglieder zu kritisiere­n“, sagt ein internatio­naler NGO-Vertreter. „Auch darf eine Unabhängig­keit Taiwans oder Tibets nicht unterstütz­t werden.“Rechtliche Hilfe für Arbeiterak­tivisten in China „ist ebenfalls nicht mehr erlaubt“, berichtet er.

Mit Wohlverhal­ten lässt sich das Punktekont­o auch auffüllen. Fünf bis zehn Punkte gibt es dafür, wenn die Propaganda nachgebete­t und die Regierungs­pläne für die Entwicklun­g des Landes unterstütz­t werden. Auch wer seinen chinesisch­en Mitarbeite­rn die Möglichkei­t gibt, die Parteilini­e zu studieren oder eigene Parteizell­en in der ausländisc­hen Organisati­on aufzubauen, kann sich fünf bis zehn Punkte dazuverdie­nen – so steht es auf Seite 37 des Handbuchs.

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