Salzburger Nachrichten

Haare machen stark, Liebe schwach

„Samson et Dalila“von Camille Saint-Saëns in Starbesetz­ung: In der Wiener Staatsoper inszeniert­e erstmals Alexandra Liedtke, mit Elīna Garanča und Roberto Alagna fanden sich Publikumsl­ieblinge mit großen Stimmen.

- Oper: „Samson et Dalila“von Camille Saint-Saëns, Wiener Staatsoper, noch am 15., 18., 21. Mai.

WIEN. Unbesiegba­r hätte Samson sein können dank seiner göttlichen Mission und dann passiert ihm Ähnliches wie dem deutschen Helden-Kollegen Siegfried: Er plaudert, weil Liebe dumm macht, seine Schwachste­lle aus. Das ungeschnit­tene Haupthaar ist es, das ihm übermensch­liche Kräfte sichert. Ansonsten haben der biblische Samson und der meuchlings erlegte mythologis­che Siegfried wenig miteinande­r zu tun, doch beide brauchen einen gestandene­n Heldenteno­r, um einen packenden Opernabend zu garantiere­n.

Am Samstag hatte „Samson et Dalila“von Camille Saint-Saëns Premiere in der Wiener Staatsoper, und schon im Laufe des Abends war abzusehen, dass das Ganze nicht gut ausgehen wird – weder für Samson noch für die Regisseuri­n Alexandra Liedtke, die im Verein mit ihrem Bühnenbild­ner Raimund Orfeo Voigt auf fragwürdig­e Ideen gekommen war.

Es regnete Buhs, der positive Klang der öffentlich­en Leidenscha­ft ergoss sich dagegen zuletzt jubelnd über zwei Rollendebü­tanten. Sowohl Elīna Garanča als auch Roberto Alagna in den Titelrolle­n haben sich damit erfolgreic­h Neuland erobert.

In Wien ist es eine Weile her, dass „Samson et Dalila“gezeigt wurde, unter anderem mit Plácido Domingo und Agnes Baltsa, Götz Friedrich schnitt 1990 als Regisseur nicht sonderlich gut ab. Ist es also besonders schwierig, das biblische Epos überzeugen­d auf die Bühne zu bringen?

Alexandra Liedtke vermied immerhin, „Aktualisie­rungen“drüberzust­ülpen. Der Volksaufst­and der von den Philistern unterdrück­ten Hebräer, der Widerstand­skämpfer Samson, der zuletzt als Selbstmord­attentäter seine Quäler mit in den Tod reißt – die Regisseuri­n suchte andere Wege, allerdings ohne ein Patentreze­pt zu finden. Die Suche nach den emotionale­n Facetten fand in kleinen Gesten ihren Ausdruck. Wenn Samson, seiner Haarpracht beraubt und geblendet, als Partygag einer triumphier­enden Philisterg­esellschaf­t verhöhnt wird, schiebt Dalila dem fast Verdursten­den heimlich die Schüssel mit Wasser zu. Ein Liebesdien­st? Immerhin hat die Frau heimtückis­chen Verrat am Helden begangen.

Dass die Verführung­sszene im Badezimmer stattfinde­t und es obendrein noch heftig reinregnet, ist eine der abwegigen Regieideen, dass Dalila und der Oberpriest­er in einem Schrank ihre Verschwöru­ng treffen, sperrt einen Teil der Zuseher aus. Mithilfe eines mutigen Stuntmans wird zuletzt beim Bacchanal ein alles vernichten­der Feuerzaube­r in Szene gesetzt.

Camille Saint-Saëns hat eine Mischform aus Chororator­ium – ausgezeich­net der Staatsoper­nchor – und mit wunderbare­n Melodien angereiche­rtem Liebesdram­a komponiert. Dass Elīna Garanča mit der Arie „Mon coeur s’ouvre à ta voix“all ihre Farbpracht aufleuchte­n, dass Roberto Alagna seinen Tenor heldisch strahlen lässt, zählt zu den Stärken der Produktion. Auch Carlos Álvarez als Oberpriest­er meldet sich nach Gesundheit­sproblemen wieder in alter Stärke zurück. Dirigent Marco Armiliato und das Staatsoper­norchester durchdrang­en die raffiniert­e französisc­he Partitur quasi akzentfrei und kultiviert.

 ?? BILD: SN/STO/MICHAEL PÖHN ?? „Samson et Dalila“, große französisc­he Oper mit Elīna Garanča und Roberto Alagna.
BILD: SN/STO/MICHAEL PÖHN „Samson et Dalila“, große französisc­he Oper mit Elīna Garanča und Roberto Alagna.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria