Elf „Identitäre“müssen vor Gericht
Die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Bewegung soll auch eine kriminelle Organisation sein. Den Beschuldigten drohen im Fall einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft.
Die als rechtsextrem eingestufte Bewegung soll auch eine kriminelle Organisation sein. Den Beschuldigten drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Geht es nach der Staatsanwaltschaft Graz, streben sie die strikte Trennung der in Europa lebenden Völker an und lehnen die kulturelle „Vermischung“der Ethnien ab. Zudem versuchen sie, fremdenfeindliche Ideologie durch provokante Aktionen, Internetauftritte, Demonstrationen, Stammtische, Plakatierungen und den Verkauf von Propagandamaterial zu verbreiten. Die Rede ist von den „Identitären“, einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Bewegung. 17 ihrer Mitglieder wurden nun wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Elf davon zusätzlich wegen Verhetzung.
„Die Frage ist, ob das, was sie gemacht haben, noch reguläre Meinungsäußerung ist oder eben bereits Verhetzung. Wir gegen von Zweiterem aus“, betonte Hansjörg Bacher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, am Montag.
Obwohl die „Identitäre Bewegung“in Österreich kaum 100 aktive Mitglieder zählt (allerdings ungleich mehr Sympathisanten), wussten die sogenannten Neuen Rechten immer wieder mit Störaktionen aufzufallen. Die wohl medienwirksamste hatten sie im April 2016, als zehn Aktivisten ins Audimax der Universität Wien eindrangen und eine Aufführung von Elfriede Jelineks Stück „Die Schutzbefohlenen“stürmten. Sieben Monate später wurden die Eindringlinge wegen Besitzstörung verurteilt.
Ebenfalls im April 2016 hatten die „Identitären“mit einem riesigen Transparent in Graz für Aufsehen gesorgt. Das 16 Meter breite Banner montierten sie am Dach jenes Hauses, in dem sich das Büro der steirischen Grünen befindet. Die Aufschrift lautete: „Islamisierung tötet“. Ein Mitglied übergoss das Transparent mit Theaterblut und verkündete via Lautsprecher, dass die Grünen und die SPÖ schuld am Terror seien und diesen nach Europa importiert hätten.
Ende April 2018 erfolgten schließlich zehn Hausdurchsuchungen (Privatwohnungen, Vereinslokale). Die „Identitären“beklagten daraufhin in einem Posting auf ihrer Facebook-Seite die Hausdurchsuchungen und empörten sich, dass Datenträger und Dokumente beschlagnahmt worden seien, die für ihre politische Arbeit extrem wichtig wären.
Ihre historischen Wurzeln haben die „Identitären“in Frankreich. Gegründet wurden sie im April 2003 als „Bloc identitaire – Le mouvement social européen“von Anhängern der wegen eines rechtsextremistisch motivierten Attentatsversuchs auf den ehemaligen Staatspräsidenten Jacques Chirac verbotenen Neonazi-Gruppierung „Unité Radicale“. In Wien traten sie das erste Mal an die Öffentlichkeit, als sie eine Caritas-Veranstaltung in Schweine- und Affenverkleidung störten. 2013 wurde eine Besetzung der Votivkirche, die gerade einigen Flüchtlingen Unterkunft bot, nach wenigen Stunden abgebrochen.
Bezüglich genauer Mitgliederzahlen gibt es zwar bislang nur grobe Schätzungen. Doch laut Verfassungsschutzbericht inszenieren sich die „Identitären“als „bürgerlichpatriotische“Massenbewegung. Die tatsächlichen Mobilisierungserfolge seien jedoch bei (Straßen-)Protesten aufgrund geringer Teilnehmerzahlen europaweit bescheiden geblieben.
„Paradoxerweise handelt es sich dabei meist um Kopien klassisch linker Aktionsformen“, kommt der Bericht zum Schluss. Einige Beispiele dafür sind Hausbesetzungen, Straßentheater, Klebeaktionen, Kommunikationsguerilla, symbolische Verunstaltungen von Denkmälern im öffentlichen Raum und Störaktionen von Veranstaltungen.