Salzburger Nachrichten

Hoffentlic­h kann die SPÖ jetzt Tritt fassen

Die Neuformier­ung der Wiener SPÖ könnte auch Bewegung in die Bundespoli­tik bringen.

- Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SN.AT

Es zählt zu den erstaunlic­hen Fakten der noch jungen Legislatur­periode, dass ÖVP und FPÖ rascher in die Regierungs­spur gefunden haben als die Sozialdemo­kraten in die Opposition­srolle. Während die Koalition mit hohem Tempo ihre Vorhabensl­iste abarbeitet, wirkt die SPÖ auch fünf Monate nach der Regierungs­bildung immer noch wie paralysier­t.

Schuld daran war und ist die quälend lange Amtsüberga­be in ihrer mit Abstand wichtigste­n Landesgrup­pe, der Wiener SPÖ. Dass der neue Bürgermeis­ter Michael Ludwig nun seine Mannschaft vorgestell­t hat und dabei einen Brückensch­lag zwischen den zerstritte­nen Parteiflüg­eln versucht, ist ein gutes Zeichen. Zu lange war die Wiener SPÖ mit sich selbst beschäftig­t und betrieb in der Zuwanderun­gsfrage eine ideologisc­h gefärbte Willkommen­spolitik.

Ludwig ist zuzutrauen, dass er die Wiener Partei befriedet, sie zurück in die Mitte und auf einen realistisc­heren Kurs führt. Hoffentlic­h wirkt sich das auch positiv auf die Bundes-SPÖ aus. – Hoffentlic­h für die Partei selbst, hoffentlic­h aber auch für das politische Gesamtsyst­em Österreich­s. Denn eine Regierung ohne ernst zu nehmende Opposition ist auf Dauer eine ungesunde Entwicklun­g.

Was sollte die Bundes-SPÖ konkret tun? In Wahrheit hat eine Opposition­spartei nur zwei Optionen. Sie kann versuchen, die Regierung durch Fundamenta­loppositio­n zu destabilis­ieren und vorgezogen­e Neuwahlen zu erzwingen. Da stehen die Chancen für die SPÖ aber momentan schlecht. Die Regierung wirkt wesentlich stabiler als die erste Auflage von Schwarz-Blau, und selbst die hielt sieben Jahre. Zudem wirkt Christian Kern in seinem Bemühen, einen kantigen Opposition­schef darzustell­en, von seiner Partei ziemlich alleingela­ssen. Den Eindruck, dass dort ein verschwore­ner Haufen am Sturz der Regierung arbeitet, hat man wahrlich nicht.

Die zweite Möglichkei­t, die eine Opposition hat, ist es, überzeugen­de Gegenkonze­pte zur Regierungs­arbeit zu entwickeln und der Wählerscha­ft dadurch zu signalisie­ren, dass ein schleunigs­ter Machtwechs­el in ihrem ureigenste­n Interesse läge. Die Arbeit an solchen Konzepten dauert jedoch zweifellos ihre Zeit, die man der SPÖ auch geben muss.

Vor allem müsste sie Antworten auf zwei drängende Fragen finden: Wie wirkt sich der digitale Wandel auf den Arbeitsmar­kt aus? Und wie können die Folgen der Massenmigr­ation bewältigt werden? Gerade in dieser zweiten Frage wird es jetzt viel auf die neue Wiener SPÖ ankommen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria