Hoffentlich kann die SPÖ jetzt Tritt fassen
Die Neuformierung der Wiener SPÖ könnte auch Bewegung in die Bundespolitik bringen.
Es zählt zu den erstaunlichen Fakten der noch jungen Legislaturperiode, dass ÖVP und FPÖ rascher in die Regierungsspur gefunden haben als die Sozialdemokraten in die Oppositionsrolle. Während die Koalition mit hohem Tempo ihre Vorhabensliste abarbeitet, wirkt die SPÖ auch fünf Monate nach der Regierungsbildung immer noch wie paralysiert.
Schuld daran war und ist die quälend lange Amtsübergabe in ihrer mit Abstand wichtigsten Landesgruppe, der Wiener SPÖ. Dass der neue Bürgermeister Michael Ludwig nun seine Mannschaft vorgestellt hat und dabei einen Brückenschlag zwischen den zerstrittenen Parteiflügeln versucht, ist ein gutes Zeichen. Zu lange war die Wiener SPÖ mit sich selbst beschäftigt und betrieb in der Zuwanderungsfrage eine ideologisch gefärbte Willkommenspolitik.
Ludwig ist zuzutrauen, dass er die Wiener Partei befriedet, sie zurück in die Mitte und auf einen realistischeren Kurs führt. Hoffentlich wirkt sich das auch positiv auf die Bundes-SPÖ aus. – Hoffentlich für die Partei selbst, hoffentlich aber auch für das politische Gesamtsystem Österreichs. Denn eine Regierung ohne ernst zu nehmende Opposition ist auf Dauer eine ungesunde Entwicklung.
Was sollte die Bundes-SPÖ konkret tun? In Wahrheit hat eine Oppositionspartei nur zwei Optionen. Sie kann versuchen, die Regierung durch Fundamentalopposition zu destabilisieren und vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen. Da stehen die Chancen für die SPÖ aber momentan schlecht. Die Regierung wirkt wesentlich stabiler als die erste Auflage von Schwarz-Blau, und selbst die hielt sieben Jahre. Zudem wirkt Christian Kern in seinem Bemühen, einen kantigen Oppositionschef darzustellen, von seiner Partei ziemlich alleingelassen. Den Eindruck, dass dort ein verschworener Haufen am Sturz der Regierung arbeitet, hat man wahrlich nicht.
Die zweite Möglichkeit, die eine Opposition hat, ist es, überzeugende Gegenkonzepte zur Regierungsarbeit zu entwickeln und der Wählerschaft dadurch zu signalisieren, dass ein schleunigster Machtwechsel in ihrem ureigensten Interesse läge. Die Arbeit an solchen Konzepten dauert jedoch zweifellos ihre Zeit, die man der SPÖ auch geben muss.
Vor allem müsste sie Antworten auf zwei drängende Fragen finden: Wie wirkt sich der digitale Wandel auf den Arbeitsmarkt aus? Und wie können die Folgen der Massenmigration bewältigt werden? Gerade in dieser zweiten Frage wird es jetzt viel auf die neue Wiener SPÖ ankommen.