CETA-Falle
In den nächsten Tagen wird der Ministerrat das umstrittene Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU absegnen. Für die Freiheitlichen, die das Abkommen bisher strikt ablehnten, keine einfache Situation.
WIEN. Der FPÖ stehen heikle Tage bevor. Die türkis-blaue Regierung will das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) ratifizieren und braucht davor die Zustimmung des Nationalrats.
Das Problem für die Freiheitlichen: Sie zählten, als sie noch nicht in der Regierung saßen, zu den vehementesten Kritikern dieses Handelsvertrags. Im Büro von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) heißt es, dass die Verhandlungen zu CETA zwischen den Regierungsparteien in der Endphase seien. „Wenn nicht diesen Mittwoch, dann wird das Thema spätestens nächste Woche im Ministerrat behandelt“, erklärt Pressesprecher Martin Glier. So könnte das Thema noch vor der EU-Präsidentschaft Österreichs erledigt werden.
Das EU-Handelsabkommen mit Kanada ist in Österreich seit jeher umstritten. Ende Jänner 2017 wurden bei einem Volksbegehren mehr als 562.552 Unterschriften dagegen gesammelt. Teile der SPÖ, die FPÖ, die Grünen und mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unterstützen das Anti-CETA-Begehren. Die FPÖ-Spitze unterzeichnete es ebenso wie etwa der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl. Die FPÖ erklärte immer wieder, dass über CETA auf jeden Fall eine Volksabstimmung durchgeführt werden sollte.
Befürwortet wird CETA hingegen von der ÖVP, den Neos, der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung, die sich dadurch mehr Wirtschaftswachstum und eine Zunahme des Handels erwarten. CETA ist vor allem wegen der ge- planten Schiedsgerichte umstritten. Bei diesen können ausländische Firmen einen Staat klagen, wenn sie sich bei einer Investition diskriminiert fühlen.
Österreichische Gerichte sind für solche Klagen dann nicht zuständig. Diese Schiedsgerichte sind der Hauptgrund dafür, dass der Nationalrat CETA überhaupt zustimmen muss. Handelsabkommen zu fixieren fällt eigentlich in die Zuständigkeit der EU. Da die Schiedsgerichte aber nationale Interessen berühren, müssen die nationalen Parlamente aller 28 EU-Staaten zustimmen. In diesem Fall spricht man von einem „gemischten Abkommen.“
Die FPÖ ist in diesen Tagen in derselben Lage wie die ÖVP beim Thema „Rauchen in der Gastronomie“. Dass dieses nicht verschärft wird, war Bedingung der FPÖ für eine Koalition, die ÖVP musste dem zustimmen, obwohl sie davon nicht begeistert war. Die ÖVP wiederum will CETA auf jeden Fall ratifizieren. Nun muss die FPÖ, die das bisher abgelehnt hat, die Mehrheit im Nationalrat sichern. All das wurde bereits im Koalitionspakt zwischen den beiden Parteien vereinbart. Oder wie es FPÖ-Sprecher Glier ausdrückt: „Hätten wir die Koalition wegen dieses Punktes scheitern lassen sollen?“
In den vergangenen Tagen wurde ein erster Entwurf für einen Ministerratsbeschluss bekannt. Dadurch wird klarer, was die Regierung konkret vorhat. So soll etwa das Abkommen unverzüglich in Kraft treten. Die Schiedsgerichte sollen aus 15 Richtern bestehen, von denen fünf die EU-Staaten nominieren, fünf Kanada und fünf aus Drittstaaten kommen. Die Richter werden für fünf Jahre ernannt. Für sie gelten „strenge Ethik- und Inkompatibilitätsbestimmungen“. Außerdem ist eine Berufungsinstanz für die Klagen vorgesehen.
Bei der FPÖ heißt es, dass man dem Abkommen die Zähne gezogen habe, vor allem was die Schiedsgerichte betreffe.
Die Gegner des Abkommens sehen das anders. So weisen etwa Greenpeace, Attac Österreich und die SPÖ darauf hin, dass es keinen Grund gebe, das Abkommen jetzt rasch zu unterzeichnen. Begründung: Belgien hat wegen der Sondergerichte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet. Diese seien mit dem Unionsrecht unvereinbar, wird argumentiert. Kommt der Gerichtshof zu derselben Ansicht, müsste das gesamte Abkommen mit Kanada neu verhandelt werden. Eine Entscheidung wird Anfang 2019 erwartet.
Bei Attac Österreich sieht man gute Chancen, dass dies passiert. So habe der EuGH erst vor Kurzem entschieden, dass Konzern-Schiedsgerichte zwischen EU-Staaten gegen EU-Recht verstoßen. Attac geht davon aus, dass der EuGH bei CETA eine ähnliche Rechtsansicht vertritt.
Dies sieht übrigens auch die Regierung so. Im Entwurf für den Ministerrat schreibt das Außenministerium, dass Nachverhandlungen notwendig werden könnten, wenn der EuGH im Sinne Belgiens entscheidet.
Nach CETA steht bereits das nächste Freihandelsabkommen vor dem Abschluss. Die EU verhandelt es mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Die Verhandlungen laufen seit zwei Jahrzehnten. Dabei sollen vor allem die Südamerikaner die Zölle auf europäische Industrieprodukte massiv senken, im Gegenzug sollen die Südamerikaner ihre Agrarprodukte vermehrt in die EU exportieren können. Während die europäischen Industrieunternehmen dies begrüßen, sind die europäischen Bauernvertreter skeptisch. Allerdings kann die EU, wie es aussieht, dieses Abkommen allein abschließen. Da keine Sonderklagsrechte und -gerichtshöfe vorgesehen sind, müssen die nationalen Parlamente nicht zustimmen.