Rupert wird für Propaganda gebraucht
Weil Virgil mit Bonifatius über die Form der Erde stritt, wurde der Ruhm Ruperts als Gründer Salzburgs hochstilisiert.
SALZBURG. Was wir heute über Rupert als Gründer Salzburgs einander erzählen, sind lange nach dessen Tod modellierte Geschichten. Einiges dürfte erfunden sein – etwa dass er die Einwohner des einstigen Juvavum getauft und hier das Christentum eingeführt haben soll oder dass er erster Bischof Salzburgs gewesen wäre. Wie man nur eine Frau heiraten dürfe, so habe man schon damals nur Bischof einer Diözese sein können, sagt der Historiker Herwig Wolfram. Und Rupert war – dies gilt als gewiss – vor seiner Ankunft in Salzburg schon Bischof von Worms. Zudem dürfte es in und um Salzburg längst Christen gegeben haben. Details wie diese wurden am Montag in einem Symposium der Erzabtei St. Peter zurechtgerückt, mit dem die Österreichische Akademie der Wissenschaften in ihrer „Bundesländerinitiative“ihre Fühler nach Salzburg streckt.
Ist einiges über Rupert pure Erfindung, so ist anderes, auch wenn vermutlich näher bei den Tatsachen, blanke Propaganda – aufgeschrieben, um Besitz und Herrschaft zu sichern. So habe sich Virgil auf Rupert berufen, um das Bistum Salzburg zu legitimieren, schildert der britische Historiker Ian Wood. Zwar habe Bonifatius auf Anordnung des Papstes die Kirche Bayerns neu geordnet und dafür vier Bistümer gegründet: Salzburg, Freising, Regensburg und Passau. Doch Virgil pries einzig Rupert als Gründer Salzburgs, um sich auf eine Tradition zu berufen und zudem die Tat seines Widersachers Bonifaz zu verschweigen. Mit diesem war er aus zwei Gründen in Zwist: Der aus Südengland stammende Bonifatius war, wie Ian Wood es nennt, „Agent der Karolinger“. Zum anderen, so ergänzt Herwig Wolfram, waren Virgil und Bonifaz wegen der Form der Erde zerkracht. Weil Virgil an die Kugelgestalt glaubte, schwärzte ihn Bonifatius in Rom so an, dass der damalige Papst Zacharias Virgil das Vertrauen entziehen wollte.
Indem Virgil seine Autorität von Rupert ableitete, der tatsächlich ein Bischof, doch nie Bischof von Salzburg gewesen war, stellte er die formelle Salzburger Bistumsgründung durch Bonifaz in den Schatten. Die Folge stellt Herwig Wolfram klar: „Ohne Virgil gäbe es keinen heiligen Rupert; er hat ihn gemacht.“
Erkenntnisse wie diese müssen Historiker zusammenklauben und in einem Symposium wie in Salzburg abtesten, weil die wenigen Texte aus dieser Zeit, wie Lebensbeschreibungen von Rupert, Korbinian oder Kilian, mit dezidiert politischem, meist aber verschwiegenem Kalkül verfasst sind. Zusammenhänge seien nur in Clustern aus jeweils mehreren Texten zu verstehen; so seien damalige „Debatten zu rekonstruieren“, sagte Ian Wood.
Eine neue Sichtweise auf die Maximilianzelle bei Bischofshofen präsentierte Peter Štih aus Laibach. Einig sind die Historiker, dass Rupert diese begründet hat. Doch widerspricht Štih der Annahme, der dort verehrte Maximilian sei der Heilige aus Celje im heutigen Slowenien gewesen. Vielmehr habe Rupert diese Zelle am Ort eines längst praktizierten Kultes zu Ehren eines regional relevanten Mannes gegründet. Dass es bis Mitte des 8. Jahrhunderts dauern sollte, bis über die Maximilianzelle die Salzburger Slawenmission beginnen konnte, ist unter anderem mit dem Mangel an sprachkundigem Personal zu erklären.
Allerdings: Salzburg ist im 7. und im 8. Jahrhundert mehrsprachig gewesen. Nördlich des Pass Lueg sei Romanisch – also ein vulgarisiertes Latein – und eine Vorform des heutigen Deutsch gesprochen worden, erläutert Peter Štih. Südlich des Pass Lueg sei noch Slawisch hinzugekommen. Denn als ab Ende des 6. Jahrhunderts Slawen bis ins heutige Slowenien, in die Steiermark und nach Kärnten vorgedrungen seien, sei die kirchliche und politische – also romanische – Elite in den Westen geflohen. Zudem hätten sich Slawen auch in Lungau, Pinzgau und Pongau angesiedelt.