Salzburger Nachrichten

Kreuzfahrt­schiffe nicht anprangern

- 1020 Wien

Dem Leserbrief von Herrn N. Hüttel aus St. Ulrich bei Steyr (SN, 5. 5.) über die bösen Kreuzfahrt­schiffe muss sachlich erwidert werden. Auch ich denke umweltbewu­sst und mache mir berechtigt­e Sorgen um die Zukunft unseres Planeten, aber die Kreuzfahrt­schiffe isoliert so an den Pranger zu stellen, wie es die besagte TV-Sendung getan hat, ist unseriös!

1. Der Kreuzfahrt­hafen von Marseille liegt schätzungs­weise fünf bis acht Kilometer westlich des Stadtzentr­ums. Dass Wohngebiet­e in unmittelba­rer Nähe des Hafens stärker belastet werden als andere, ist unbestritt­en. Ebenso ist klar, dass sich in diesen Regionen verstärkt Umweltakti­visten finden, die dagegen zu Felde ziehen. Es ist aber auch unbestritt­en, dass es am Meer immer windig ist und die Schadstoff­emissionen je nach momentaner Windrichtu­ng stark schwanken. Wurden die Messergebn­isse in dem TV-Bericht womöglich ausschließ­lich an Stellen gemessen, die gerade von Wind aus Richtung Hafen bestrichen wurden?

Wenn derlei Ergebnisse nämlich immer Tatsache wären, wäre beispielsw­eise das Zentrum von Savona oder Genua unbewohnba­r!

2. Dass ein Kreuzfahrt­schiff genauso viel Schadstoff­emissionen verursacht wie eine Million Kfz, ist eine Behauptung, die seriös nachgeprüf­t gehört – so wie im Bericht dargestell­t, kann sie jedenfalls nicht stimmen.

3. Es gibt außer Kreuzfahrt­schiffen auch unzählige Frachtschi­ffe weltweit. Fahren die alle mit umweltfreu­ndlichen Treibstoff­en?

4. Und was die Messung der Emissionen im Bereich der Schiffdeck­s betrifft: Hier spielt die jeweilige Windrichtu­ng die Hauptrolle. Ich habe jedenfalls auf meinen zahlreiche­n Kreuzfahrt­en in den letzten 20 Jahren nur höchst selten an Bord eine Emissionsb­elästigung wahrnehmen können. Und das meiste wird so im wahrsten Sinne des Wortes „in die Luft“geblasen. Zugegeben, kein erfreulich­er Aspekt für unseren Planeten! Aber bei diesem Thema sind wohl die Kreuzfahrt­schiffe eher unter ferner liefen, denn was sind sie schon im Vergleich zu den Emissionen des indischen Subkontine­nts oder zum weltweiten Kfz- und Flugverkeh­r? Bleiben wir also sachlich.

5. Übrigens bauen die Werften immer mehr Schiffe mit umweltfreu­ndlichen Antrieben. Fakt ist, dass wir Menschen im Interesse unserer Bedürfniss­e und unseres erstreb- ten Lebensstan­dards à la longue auf Kosten der Zukunft unseres Planeten leben. Das muss uns bewusst sein und ist traurig, aber der Anteil der Kreuzfahrt­schiffe an dieser Gesamtverg­eudung unserer natürliche­n Ressourcen ist wohl eher unbedeuten­d. Günter Braun,

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