Der Fall Ali Wajid
Es war Anfang August 2017, als Ali auf uns zukam, im Volksgarten bei unserem Speed-DatingEvent für geflüchtete Menschen. Er hatte noch keinen positiven Asylbescheid, war aber so engagiert, so lernbegierig, dass wir nicht Nein sagen konnten.
Wir entschlossen uns, eine Ausnahme zu machen und mit ihm ein Stück des Weges zu gehen, wohl wissend, dass sein „Problem“sein Herkunftsland Pakistan ist und die gleichzeitige und nachvollziehbare Priorisierung von syrischen Flüchtlingen seit Ende 2015. In Andreas Berlot vom ARGE Beisl fanden wir bald einen Partner und eine Lehrstelle, für die es in Österreich kaum Bewerber gab. Alles schien perfekt zu laufen – bis vor einer Woche der Abschiebungsbescheid eintraf. Ali ist verzweifelt. Wieder bricht eine Welt auseinander. Man kann sich schwer ausmalen, was eine Abschiebung für ihn bedeutet. Wieder Flucht? Gefängnis – in einem Land, in dem die Menschenrechtslage nach wie vor prekär ist? In dem paschtunische Stammesfürsten und die Taliban große Teile des Landes kontrollieren, Terroranschläge an der Tagesordnung sind und es keine freien Medien gibt.
Damit ich nicht missverstanden werde. Negative Asylbescheide gehören vollzogen. Sonst sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Aber im Vollzug darf das Augenmaß niemals verloren gehen. Wir sollten mittlerweile gelernt haben, dass der Zweck niemals die Mittel heiligt. Und dass es der Geist ist, aus dem heraus die Gesetze vollzogen werden, der darüber entscheidet, ob etwas Recht ist oder nicht. Recht oder einfach nur populistisch rechts und auf Mehrheiten schielend.
Ali Wajid ist ein besonderer Fall. Eine Ausnahmeerscheinung. Und als solche muss er auch behandelt werden. Wenn Sie ins ARGE Beisl gehen und dort einen Kaffee trinken, werden Sie es sehen. Mit eigenen Augen. Dass das alles keinen Sinn macht. Einen Menschen, der mit Riesenschritten dabei ist, einer von uns zu werden, rauszureißen aus seiner Lehre und seinem Leben, das er sich mühsam aus Trümmern zusammengesetzt hat, und zurückzuwerfen in eine Welt, vor der er geflohen ist, um nach einer zweiten Chance zu suchen. Wolfgang Tonninger