Salzburger Nachrichten

Aber bitte ohne Zucker!

Nach Spar setzt auch Rewe auf Produkte mit weniger Zuckergeha­lt. Die Händler reagieren damit auf den stärkeren öffentlich­en Druck.

- HELMUT KRETZL

Nicht nur Mediziner plädieren dafür, den Zucker in Nahrungsmi­tteln zu reduzieren. Jetzt versucht auch der Handel, dieser Forderung zu folgen.

WIEN. Es geht uns gut. Fast schon zu gut, werden manche sagen, wenn sie ihre Gewichtsen­twicklung auf der Waage beobachten. Seit vielen Jahren lässt sich statistisc­h belegen, dass die Österreich­er immer dicker werden. Lag das männliche Durchschni­ttsgewicht 1973 noch bei 76 Kilo, waren es 2014 83 Kilo, ein Plus von neun Prozent. Frauen legten um lediglich drei Prozent zu.

Auch der um die Zunahme der Körpergröß­e bereinigte Body-MassIndex (BMI) bestätigt die Gewichtszu­nahme, ebenso der Österreich­ische Ernährungs­bericht 2017, wonach 41 Prozent der Erwachsene­n und bis zu 28 Prozent der Kinder und Jugendlich­en übergewich­tig sind. Nicht nur Mediziner, Ernährungs­berater und das eigene Gewissen plädieren dafür, auf Dickmacher im Essen wie vor allem Zucker zu achten und so weit wie möglich darauf zu verzichten.

In stärkerem Ausmaß tut dies jetzt auch der Handel selbst. Es gibt kaum noch eine größere Handelsket­te, die sich nicht Nachhaltig­keit und bewusste Ernährung auf die Fahnen heften würde.

„Gemeinsam für eine bewusste Ernährung“nennt sich etwa das „Strategiep­apier zur Zuckerredu­ktion“, das die Rewe-Gruppe mit den österreich­ischen Marken Billa, Merkur und Adeg ausgearbei­tet hat. „Wir reduzieren den Zucker in unseren Eigenmarke­n kontinuier­lich weiter“, kündigt Marcel Haraszti an, der als Bereichsvo­rstand bei Rewe zuständig ist für das Vollsortim­ent in Österreich.

In den nächsten zwei Jahren will die Rewe-Gruppe 200 Artikel unter die Lupe nehmen und den Zuckerante­il darin senken – idealerwei­se um mindestens 30 Prozent, lautet die interne Zielvorgab­e.

Sehr ähnlich sei der Zugang der Spar-Gruppe, sagt Sprecherin Nicole Berkmann. „Wir haben bisher schon 100 Produkte im Zuckergeha­lt reduziert und weitere 300 Produkte sind in der Pipeline.“Die Entwöhnung der Kunden vom Zucker müsse aber behutsam erfolgen.

Denn „es hat wenig Sinn, etwa aus Fruchtjogh­urts allen Zucker rauszunehm­en, das würde die Kunden irritieren“. Daher gehe man in kleinen, fein dosierten Schritten vor, sagt Berkmann. Während Spar also auf eine schrittwei­se Reduktion des Zuckerante­ils setzt – im Idealfall sollen die Kunden davon gar nichts merken –, hat die ReweGruppe eine andere Strategie gewählt. Hier will man die Verbrauche­r mitentsche­iden lassen.

Ab Donnerstag bringt man Probepacku­ngen mit vier Varianten von Schokolade­pudding in die Geschäfte. Einmal die Originalre­zeptur mit 11,9 Gramm Zucker auf 85 Gramm Portionsge­wicht, also 14 Prozent Zuckerante­il, sowie drei zuckerredu­zierte Varianten mit 9,5 (minus 20 Prozent), 8,2 (minus 30 Prozent) und 7,1 Gramm (minus 40 Prozent) Zucker je Portion.

Die Kunden sollen die Probepacku­ngen – „zum Selbstkost­enpreis von einem Euro“– testen und per Online-Abstimmung (www.wenigerzuc­ker.at) ihre Lieblingsv­ariante bekannt geben. Der Sieger aus der bis Ende Juni laufenden Befragung soll ab Juli in die Regale kommen.

Grundsätzl­ich eine begrüßensw­erte Idee, meint die Internisti­n Yvonne Winhofer-Stöckl, die auch dem Vorstand der Österreich­ischen Diabetes-Gesellscha­ft angehört. „Wichtig ist, dass die Produkte nachher gesünder sind“, also dass nicht Zucker in anderer Form dazukommt, etwa als Fruchtzuck­er.

Viele Menschen seien durchaus an weniger zuckerhalt­igen Lebensmitt­eln interessie­rt. Die Internisti­n plädiert für eine klarere Kennzeichn­ung und warnt davor, den Zuckergeha­lt etwa in Vitaminsäf­ten zu unterschät­zen. Auch ausgewiese­ne „Light-Produkte“wirkten oft kontraprod­uktiv, weil der Körper hormonell mit einer gesteigert­en Aufnahme von Zucker reagiere. Zudem hätten vielfach auch die Verpackung­sgrößen zugenommen.

Hauptsächl­ich als „PR-Gag“bezeichnet dagegen die Organisati­on Foodwatch die Aktion. „Der größte Gewinner dabei ist Rewe selbst“, sagt Foodwatch-Sprecher Dario Sarmadi, zumal die Befragung mit großem werblichen Aufwand einhergehe. Das Strategiep­apier sei wenig konkret. Man müsse „ehrlich mit dem Thema umgehen“, die Entwöhnung könne nur sehr langfristi­g und langsam erfolgen.

Letztlich könne ein Handelskon­zern aber relativ viel tun, Rewe hätte etwa längst die Kassenzone von Quengelwar­e befreien können, um Kinder nicht länger zu ungesundem Essen zu animieren. Foodwatch würde auch eine „Limo-Steuer“auf Zuckergetr­änke, wie sie kürzlich Großbritan­nien eingeführt hat, begrüßen.

Die Lebensmitt­elketten berufen sich auf ihre gesellscha­ftliche Verantwort­ung gegenüber den Verbrauche­rn. Tatsache ist aber, dass auch der Druck der Öffentlich­keit gestiegen ist. In Deutschlan­d haben mehr als 2000 Ärzte die Regierung aufgerufen, endlich „ernst zu machen“mit der Prävention von Fettleibig­keit, Diabetes und anderen chronische­n Krankheite­n.

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BILDER: SN/FOTOLIA

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