Milch beugt Krebs und Infekten vor
Muttermilch hat es in sich. Was man weiß, ist, dass sie das Immunsystem stärkt und Kinder groß und gesund werden lässt. Aber jetzt fanden Forscher heraus, dass Muttermilch sogar therapeutisch eingesetzt werden könnte.
WIEN. Lactoferrin ist ein Stoff, der hauptsächlich in der Muttermilch vorkommt. Er besteht aus ungefähr 700 Aminosäuren. Das sind chemische Verbindungen, die vor allem Körpergewebe aller Art aufbauen. Lactoferrin findet man in Spuren auch im Speichel, in der Tränenflüssigkeit und im Schweiß der Menschen.
Jetzt entdeckten Forscher der Medizinischen Universität Wien unter der Leitung des Immunologen Hannes Stockinger eine bisher unbekannte Funktion des Proteins Lactoferrin. Es hemmt offenbar bestimmte Prozesse bei der Auflösung von Blutgerinnseln und bei der ZellWanderung, der sogenannten Migration. Der Immunologe Stockinger sagt: „Diese Entdeckung könnte für die Entwicklung neuer Therapeutika bei Krebs, aber auch bei der Behandlung bestimmter bakterieller Infektionen nützlich sein.“
Es geht dabei um das Enzym Plasminogen. Es ist eines der wichtigsten Enzyme im menschlichen Körper und unter anderem für den Abbau von Eiweißen beteiligt. Das Enzym ist an der Auflösung von Blutgerinnseln beteiligt, aber auch an einer Vielzahl anderer physiologischer Prozesse. Es kümmert sich um die Entwicklung von Geweben und Organen und ist wichtig für die Immunreaktion des Organismus und für die Wundheilung.
Um seine Rolle zu erfüllen, muss die inaktive Form dieses Plasminogenmoleküls in die aktive Form Plasmin gebracht werden. Ist dieser Prozess gestört, kann es zu vielen krankhaften Prozessen im Körper führen, wie Studienleiter Vladimir Leksa sagt.
„Bösartige Tumorzellen oder einige virulente Bakterienarten, zum Beispiel Borrelien, binden und aktivieren menschliches Plasminogen, um Gewebebarrieren zu durchdringen. Dementsprechend ist das Plasminogensystem ein günstiges Ziel für diagnostische und therapeutische Strategien bei Krebs und Entzündungskrankheiten.“
Die neue Studie, die in Zusammenarbeit mit der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Pressburg veröffentlicht wurde, zeigt nun deutlich, dass das menschliche Milchprotein Lactoferrin die Plasminogenaktivierung durch direkte Bindung an menschliches Plasminogen blockiert.
Dadurch kann sowohl eine Tumorzellinvasion blockiert als auch ein Eindringen von Bakterien wie Borrelien verhindern werden. Die Hauptquelle für menschliches Lactoferrin ist die Muttermilch. „Unsere Ergebnisse tragen nicht nur zum Verständnis vieler antimikrobieller, antitumoraler und immunmodulatorischer Aktivitäten bei, die Lactoferrin zugeschrieben werden.
Die Ergebnisse legen nahe, dass Lactoferrin als natürliches Werkzeug für therapeutische Interventionen nützlich sein kann, um bösartige Zellen und Bakterien am Eindringen in ihre Wirte, sprich: uns Menschen, zu hindern“, sagt Stockinger.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, ein Kind mindestens sechs Monate ausschließlich zu stillen. Studien zeigen, dass Kinder, die lang nur mit Muttermilch ernährt wurden, möglicherweise später etwas weniger wahrscheinlich übergewichtig werden. Zudem gibt es Hinweise in Studien, dass ihr Intelligenzquotient geringfügig höher ist als bei Kindern, die nicht gestillt wurden.
Allerdings kann der Einfluss der Muttermilch auf das spätere Leben eines Menschen nur schwer isoliert werden. Daher ist es fraglich, welche Bedeutung die gefundenen Effekte in etlichen Studien in der Praxis haben.