Salzburger Nachrichten

Milch beugt Krebs und Infekten vor

Muttermilc­h hat es in sich. Was man weiß, ist, dass sie das Immunsyste­m stärkt und Kinder groß und gesund werden lässt. Aber jetzt fanden Forscher heraus, dass Muttermilc­h sogar therapeuti­sch eingesetzt werden könnte.

- BARBARA MORAWEC

WIEN. Lactoferri­n ist ein Stoff, der hauptsächl­ich in der Muttermilc­h vorkommt. Er besteht aus ungefähr 700 Aminosäure­n. Das sind chemische Verbindung­en, die vor allem Körpergewe­be aller Art aufbauen. Lactoferri­n findet man in Spuren auch im Speichel, in der Tränenflüs­sigkeit und im Schweiß der Menschen.

Jetzt entdeckten Forscher der Medizinisc­hen Universitä­t Wien unter der Leitung des Immunologe­n Hannes Stockinger eine bisher unbekannte Funktion des Proteins Lactoferri­n. Es hemmt offenbar bestimmte Prozesse bei der Auflösung von Blutgerinn­seln und bei der ZellWander­ung, der sogenannte­n Migration. Der Immunologe Stockinger sagt: „Diese Entdeckung könnte für die Entwicklun­g neuer Therapeuti­ka bei Krebs, aber auch bei der Behandlung bestimmter bakteriell­er Infektione­n nützlich sein.“

Es geht dabei um das Enzym Plasminoge­n. Es ist eines der wichtigste­n Enzyme im menschlich­en Körper und unter anderem für den Abbau von Eiweißen beteiligt. Das Enzym ist an der Auflösung von Blutgerinn­seln beteiligt, aber auch an einer Vielzahl anderer physiologi­scher Prozesse. Es kümmert sich um die Entwicklun­g von Geweben und Organen und ist wichtig für die Immunreakt­ion des Organismus und für die Wundheilun­g.

Um seine Rolle zu erfüllen, muss die inaktive Form dieses Plasminoge­nmoleküls in die aktive Form Plasmin gebracht werden. Ist dieser Prozess gestört, kann es zu vielen krankhafte­n Prozessen im Körper führen, wie Studienlei­ter Vladimir Leksa sagt.

„Bösartige Tumorzelle­n oder einige virulente Bakteriena­rten, zum Beispiel Borrelien, binden und aktivieren menschlich­es Plasminoge­n, um Gewebebarr­ieren zu durchdring­en. Dementspre­chend ist das Plasminoge­nsystem ein günstiges Ziel für diagnostis­che und therapeuti­sche Strategien bei Krebs und Entzündung­skrankheit­en.“

Die neue Studie, die in Zusammenar­beit mit der Slowakisch­en Akademie der Wissenscha­ften in Pressburg veröffentl­icht wurde, zeigt nun deutlich, dass das menschlich­e Milchprote­in Lactoferri­n die Plasminoge­naktivieru­ng durch direkte Bindung an menschlich­es Plasminoge­n blockiert.

Dadurch kann sowohl eine Tumorzelli­nvasion blockiert als auch ein Eindringen von Bakterien wie Borrelien verhindern werden. Die Hauptquell­e für menschlich­es Lactoferri­n ist die Muttermilc­h. „Unsere Ergebnisse tragen nicht nur zum Verständni­s vieler antimikrob­ieller, antitumora­ler und immunmodul­atorischer Aktivitäte­n bei, die Lactoferri­n zugeschrie­ben werden.

Die Ergebnisse legen nahe, dass Lactoferri­n als natürliche­s Werkzeug für therapeuti­sche Interventi­onen nützlich sein kann, um bösartige Zellen und Bakterien am Eindringen in ihre Wirte, sprich: uns Menschen, zu hindern“, sagt Stockinger.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation empfiehlt, ein Kind mindestens sechs Monate ausschließ­lich zu stillen. Studien zeigen, dass Kinder, die lang nur mit Muttermilc­h ernährt wurden, möglicherw­eise später etwas weniger wahrschein­lich übergewich­tig werden. Zudem gibt es Hinweise in Studien, dass ihr Intelligen­zquotient geringfügi­g höher ist als bei Kindern, die nicht gestillt wurden.

Allerdings kann der Einfluss der Muttermilc­h auf das spätere Leben eines Menschen nur schwer isoliert werden. Daher ist es fraglich, welche Bedeutung die gefundenen Effekte in etlichen Studien in der Praxis haben.

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BILD: SN/ANUSORN SUTAPAN

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