Trump bringt die EU in die Zwickmühle
Europa muss bei der Rettung des Iran-Deals auch an die eigenen Unternehmen denken.
Mit scharfen Worten gegen US-Präsident Donald Trump gab Ratspräsident Donald Tusk am Mittwoch den Auftakt zum EU-Gipfel in Sofia. Angesichts der letzten Entscheidungen Trumps fragte Tusk vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs: „Mit Freunden wie diesen, wer braucht da Feinde?“
Der US-Präsident droht der EU nicht nur mit Strafzöllen auf Aluminium und Stahl, mit dem Austritt aus dem Iran-Deal sehen sich europäische Firmen bald auch mit amerikanischen Sanktionen konfrontiert, sollten sie weiterhin im Iran tätig sein. Darauf müsse die EU geschlossen reagieren, fordert Tusk. Österreich schließt sich dieser Meinung an. Die USA gefährdeten europäische Wirtschaftsinteressen, daher stellen „wir uns entschieden gegen die Politik“Trumps, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in Sofia.
Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs wurden Reaktionen der EU auf die jüngsten Entscheidungen Trumps diskutiert. Eine davon ist ein Gesetz zur Abwehr der US-Sanktionen gegen europäische Firmen, die im Iran tätig sind. Unternehmen könnte unter Strafe verboten werden, sich an die Sanktionen zu halten. Auch Entschädigungen wären denkbar. Fraglich ist, ob alle EU-Länder zustimmen würden. Die neuen Sanktionen treten in zwei Wellen im August und November in Kraft. Aus Österreich sind rund 50 Firmen im Iran aktiv.
SOFIA, BRÜSSEL. Einen Tag früher als geplant sind die Staats- und Regierungschefs der EU gestern, Mittwoch, ins bulgarische Sofia gereist. Die jüngsten Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump mussten besprochen werden – und diese Debatte sollte dem für Donnerstag anberaumten Westbalkan-Gipfel nicht gänzlich die Show stehlen. Die brennenden Fragen wurden daher schon beim Dinner am Mittwochabend aufgetischt: Wie verhält sich die EU angesichts des Ausstiegs der USA aus dem Iran-Deal? Und wie reagiert Brüssel auf die US-Strafzölle, von denen die EU zuletzt wieder nur eine befristete Ausnahme von Washington bekam?
Für die ziemlich verfahrene Diskussion rund um das Atomabkommen sucht die EU eine praktikable Lösung. „Wir waren uns alle einig, dass wir einen Verwandten auf der Intensivstation haben und ihn alle so schnell wie möglich dort rausbekommen wollen“, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in der Nacht auf Mittwoch nach dem Treffen mit den Außenministern Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs sowie deren iranischem Gegenüber Mohammed Dschawad Zarif in Brüssel.
Das Bild von der Intensivstation ist nicht übertrieben, auch wenn die EU und der Iran weiter versuchen, Optimismus zu verbreiten. Nach dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen droht ihm das Aus, sofern nicht rasch ein Ausweg gefunden wird, über den EU-Firmen die angedrohten US-Sanktionen umschiffen und weiter Geschäfte mit Teheran machen können. Denn genau das verlangt der Iran, um nicht seinerseits den Deal aufzukündigen.
Wie diese Lösungen aussehen könnten, sollten Mogherini und EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker beim Abendessen der 28 Staats- und Regierungschefs in Sofia erklären. Unter anderem ist im Gespräch, die US-Sanktionen quasi zu blockieren. Dazu soll ein Abwehrgesetz reaktiviert werden, das 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen, aber nie angewandt wurde. Über dieses sogenannte Blocking Statute könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an amerikanische Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde dieses Statut regeln, dass europäische Unternehmen für eventuell daraus entstehende Kosten und Verluste entschädigt werden.
Weiters wird überlegt, iranisches Öl und Gas in Euro und nicht in Dollar zu handeln. Auch über eine Unterstützung Teherans durch die Europäische Investitionsbank (EIB) und Hilfen für kleine und mittlere EU-Unternehmen, die im Iran investieren wollen, wurde beraten.
Sie könne „nicht über gesetzliche oder wirtschaftliche Garantien sprechen, aber über ernsthafte und entschlossene Arbeit auf europäischer Seite“, sagte Mogherini nach den Gesprächen auf Außenminister-Ebene in Brüssel. Irans Vertreter Zarif sagte, man sei auf dem richtigen Weg, viel werde aber davon abhängen, „was wir in den nächsten Wochen tun können“.
Ein Berater des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sagte zu Wochenbeginn, Exportfinanzierung allein werde den IranDeal nicht retten. Es werde einen „globaleren Zugang brauchen, um das Gesetzesarsenal zu stärken“und die europäischen Firmen, die dort Geschäfte machten, zu verteidigen. Frankreich versucht, Ausnahmen für einige Unternehmen, die seit 2015 im Iran investiert haben, zu bekommen. Zugleich wird an geordneten Rückzugsplänen für Firmen gearbeitet.
Die meisten Experten räumen ein, dass Europa wenig Mittel hat, den USA zu drohen. Europäische Großkonzerne, die auch in Amerika tätig sind, haben kaum eine Wahl, wenn sie ihre Interessen dort nicht aufs Spiel setzen wollen. Sie könnten im Fall einer Fortführung ihrer Geschäfte mit dem Iran mit Bußgeldern belegt oder sogar ganz vom US-Markt ausgeschlossen werden.
In jedem Fall sei eine „vereinte europäische Front“nötig, um das Iran-Abkommen zu verteidigen, appellierte EU-Ratspräsident Donald Tusk an die Staats- und Regierungschefs. Er erwarte ein zweifelsfreies Bekenntnis, dass die EU den Deal respektiere, solange sich auch der Iran daran halte, sagte Tusk.
Auch im Hinblick auf die angedrohten US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium schwor der EU-Ratspräsident die Länder auf eine gemeinsame Haltung ein. Sein Plan sei einfach: „Hart bleiben.“Im Original klang es nach einer Kampfansage: „We stick to our guns.“
Die EU fordert eine permanente Ausnahme von den US-Strafzöllen. Die Argumentation Trumps, die Zölle würden zur nationalen Sicherheit eingeführt, hält Tusk für „absurd“. Generell sei derzeit neben traditionellen politischen Herausforderungen wie dem Aufstieg Chinas und der aggressiven Haltung Russlands ein neues Phänomen zu beobachten: die unberechenbare Selbstbehauptung der amerikanischen Administration. „Betrachtet man die jüngsten Entscheidungen von Präsident Trump könnte man denken: Mit Freunden wie diesen, wer braucht da Feinde?“, sagte Donald Tusk.
„Man könnte denken: Mit Freunden wie diesen, wer braucht da Feinde?“Donald Tusk, EU-Ratspräsident