Kim droht mit einem Rückzieher
Das Gipfeltreffen des nordkoreanischen Machthabers mit US-Präsident Donald Trump steht plötzlich infrage. Was steckt dahinter: Sinneswandel oder Verhandlungstaktik?
Das Gipfeltreffen des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un mit US-Präsident Donald Trump steht plötzlich infrage. Was steckt dahinter: Sinneswandel oder Verhandlungstaktik?
Plötzliche Wende in den Nordkorea-Verhandlungen: Kim Jong Un stellt das für Juni geplante Gipfeltreffen mit Donald Trump infrage. „Wenn die USRegierung uns in die Enge treibt und einseitig fordert, dass wir Atomwaffen aufgeben, haben wir kein Interesse mehr an Gesprächen“, sagte der stellvertretende Außenminister des Landes, Kim Kye Gwan, einer offiziellen Mitteilung zufolge. Anders gesagt: Nordkorea will den mit Spannung erwarteten Gipfel platzen lassen, wenn die USA zu hart auf atomare Abrüstung drängen. Hochrangige Versöhnungsgespräche mit Südkorea wurden am Mittwoch abgesagt. Das mag zunächst wie ein Sinneswandel aussehen – die Entwicklung kommt aber kaum überraschend. Nordkorea hatte nie eine völlige Abrüstung angeboten, das Weiße Haus hat dieses Ergebnis aber bereits vorweggenommen. „Kim ist bedacht darauf, eine starke Verhandlungsposition aufrechtzuerhalten“, sagte Go Myong Hyun, Politikwissenschafter am Asan Institute for Policy Studies in Seoul. Beide Seiten hegten völlig unterschiedliche Erwartungen, warnte Go. Während die USA einen schnellen, vollständigen und unumkehrbaren Ausstieg aus allen Atomaktivitäten im Sinn hätten, wolle Kim sein Arsenal – wenn überhaupt – schön langsam abbauen. „Das würde dem Norden Zeit geben, seine Position als Nuklearstaat zu zementieren und sogar zum alten Stil der Provokationen zurückzukehren.“In der Geschichte der atomaren Abrüstung habe noch nie ein Land plötzlich freiwillig auf seine Waffen verzichtet. Es sei unwahrscheinlich, dass ausgerechnet Kim den Anfang mache. Das Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Nordkoreas Machthaber Kim soll am 12. Juni in Singapur stattfinden. Es war möglich geworden, weil Kim sich am Neujahrstag plötzlich zu Gesprächen bereiterklärt hatte. Ein Gipfeltreffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In im April war atmosphärisch positiv verlaufen. Doch bei der Begegnung im Grenzgebiet ging es nur um Symbole, nicht um Inhalte. Trump seinerseits brüstet sich seitdem damit, die Nordkoreaner praktisch im Alleingang bezwungen zu haben. John Bolton, Trumps Sicherheitsberater, forderte unumwunden die Zerstörung aller Kernwaffen und Raketen Nordkoreas, bevor an eine Aufhebung von Sanktionen
„Kim ist bedacht darauf, eine starke Position aufrechtzuerhalten.“Go Myong Hyun, Politologe
überhaupt zu denken sei. Später schlug er in leichter Abmilderung dieser Position vor, Nordkorea könne die Waffen „in Tennessee“unter Verschluss lagern lassen. Außerdem müsse Nordkorea seine Kernphysiker und Waffeningenieure ins Ausland schicken. Nordkorea zeigte sich in seiner Mitteilung vom Mittwoch ausdrücklich empört über die Äußerungen des als UltraFalken bekannten Bolton.
Das Missverhältnis zwischen dem, was Kim angeboten hat, und dem, was vor allem Donald Trump aus seinen Worten heraushört, wurde in den vergangenen Wochen immer größer. Auch wenn westliche Politiker das gerne hätten: Kim hat in Wirklichkeit nie angeboten, sein vorhandenes nukleares Arsenal aufzugeben. Er hat bloß davon gesprochen, Atomtests zu stoppen. Begründung: Nordkorea sei bereits eine Atommacht.
Aus US-Sicht ist dagegen klar, dass die Nordkoreaner keine Wirtschaftshilfe erhalten, wenn sie genau dieses Arsenal nicht abbauen. Bolton vermutete weiters, Nordkorea wolle ein „normales Land“werden, das sich öffnet und in den Welthandel einbezogen ist. Auch das hat Kim nie gesagt. Für Beobachter steht außer Frage, dass er weiter in einem Reich herrschen will, das ihn als Gott verehrt.
„Die überzogenen Erwartungen sind die größte Gefahr für das Stattfinden des US-Nordkorea-Gipfels“, twitterte der Sicherheitsexperte Victor Cha vom Center for Strategic and International Studies in Washington.
Nun kommt wieder etwas mehr Realismus in die Situation. Es war immer klar, dass Kim kein einfacher Verhandlungspartner sein würde. Seine Friedensangebote waren an verdächtig wenig Bedingungen geknüpft. Trump kann den Nordkoreanern immer noch Kompromisse anbieten, um zu einem Abschluss zu gelangen. Der wichtigste Faktor ist die Zeit: Abrüstung ja – aber über wie viele Jahre gestreckt? Kim kann allem zustimmen, wenn keine überprüfbaren Ergebnisse gefordert werden. Schließlich kann er dann seine Meinung immer noch ändern und das Atomprogramm wieder anfahren.
Das Weiße Haus reagierte auf Kims Manöver vorerst ratlos. „Wir sind weiterhin hoffnungsvoll, dass das Treffen stattfinden wird“, sagte Sprecherin Sarah Sanders.