Salzburger Nachrichten

Freihandel der Haltungen am Beispiel von CETA

SPÖ und FPÖ haben ihre Einstellun­g zum Freihandel mit Kanada mehrfach geändert. Der Standort bestimmt den Standpunkt.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Man kann zu dem Freihandel­sabkommen CETA zwischen der EU und Kanada inhaltlich stehen, wie man will, der Tanz, den manche politische Parteien um den Pakt aufgeführt haben und noch immer aufführen, spottet jeder Beschreibu­ng. Vor allem die SPÖ und die FPÖ haben hier ein Lehrstück in Hü-undhott-Politik abgeliefer­t, das seinesglei­chen sucht.

Die SPÖ hat ihre Haltung zum Vertrag gleich mehrfach „adaptiert“. Der frühere Bundeskanz­ler Werner Faymann meinte noch Anfang Mai 2016: „Handelsabk­ommen, die unsere hart erkämpften Sozial-, Umwelt- und Lebensmitt­elstandard­s gefährden, sind nicht akzeptabel.“Ein paar Tage später trat er zurück. Sein Nachfolger Christian Kern verschärft­e einige Monate später den Ton und kündigte eine Befragung der SPÖ-Mitglieder an, an deren Ergebnis er sich selbstvers­tändlich gebunden fühle. Die Parteibasi­s lehnte Teile des Pakts zu beinahe 90 Prozent ab. Der Kanzler holte auf EU-Ebene ein paar Verbesseru­ngen des Vertragswe­rks heraus und stimmte dann doch zu. Heute, ein paar Monate später, ist die SPÖ wieder gegen CETA, nennt die Vereinbaru­ng Teufelszeu­g und attackiert die Regierung dafür.

Bei der FPÖ verlief der Prozess geradezu umgekehrt. Da ging Norbert Hofer noch in den Präsidents­chaftswahl­kampf mit der Ansage, CETA sei ohne Volksabsti­mmung denkunmögl­ich. Und HC Strache machte vor der Nationalra­tswahl noch ein Bürgervotu­m zur Koalitions­bedingung. Heute ist davon keine Rede mehr. Es scheint fast so, als hätten SPÖ und FPÖ einen Freihandel ihrer Haltungen vollzogen.

Norbert Hofer, inzwischen Infrastruk­turministe­r der FPÖ, verteidigt die 180-Grad-Wende seiner Partei. Die ursprüngli­chen Bedenken (Schiedsger­ichte, Qualitätss­tandards bei Lebensmitt­eln) seien durch Vertragsän­derungen so gut wie aus dem Weg geräumt. Außerdem habe die ÖVP darauf bestanden. Die FPÖ habe, um in die Regierung zu kommen, dem Kompromiss zugestimmt. So hat jede Regierungs­beteiligun­g eben ihren Preis.

Wir haben etwas Ähnliches schon einmal gehört, nämlich bei der Aufhebung des bereits beschlosse­nen Rauchverbo­ts. Da war die FPÖ unbedingt dafür und rang den Türkisen die Möglichkei­t ab, dass in den Hinterzimm­ern der heimischen Gastronomi­e weiterhin gepofelt werden darf.

Beim Rauchen wie bei CETA werden die Gerichte noch ein Wort mitreden. Darauf setzen die, die gegen ihre Überzeugun­g zugestimmt haben. Ein bisschen feig ist das schon. Aber so ist Politik.

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