Wunderland ist abgebrannt
Sie heißen Marienkäfer oder Wunderland. Islamische Kindergärten in Wien kommen nicht aus der Diskussion. Die Gemeinde schaut bei Förderung und Genehmigungen genauer hin – auch das hat Folgen.
WIEN. Im Wiener Gemeinderat wurde am Mittwoch heftig über die vor einem Monat bekannt gewordenen verstörenden Facebook-Fotos von Kindern, die in Tarnuniformen türkische Schlachtszenen nachstellen, gestritten – und um Subventionen für im Hintergrund stehende Vereine. Die Bilder stammen zum Glück nicht aus einem islamischen Kindergarten, sondern „nur“aus einer Moschee des türkischen Moscheedachverbands ATIB in Wien. Die Aufregung um Parallelgesellschaften, bedenkliche Vorgänge in islamischen Kindergärten, Förderbetrug und Indoktrinierung von Kindergartenkindern auf Steuerzahlerkosten reißt in Wien trotzdem nicht ab – seit Jahren nicht.
Erst vor wenigen Tagen berichtete das Nachrichtenmagazins „profil“über einen ATIB- nahen Kindergarten mit dem Namen „Marienkäfer“, der in seinem Konzept die Betonung auf Türkentum und Religion gelegt hat und dessen Trägerverein sich freiwillig der türkischen Religionsbehörde in Ankara unterwirft. Auf Verlangen der Gemeinde musste der Verein das pädagogische Konzept ändern. Der Kindergarten bzw. dessen ATIB nahestehender Trägerverein Nokta erhält 227.000 Euro Förderung von der Gemeinde. So wie viele islamische Kindergärten – auch solche im Nahverhältnis zu problematischen Vereinen oder Geschäftsleuten – Fördergelder kassieren.
„Diese Kindergärten heißen wie der von ATIB ,Marienkäfer’ oder ähnlich, man weiß von außen gar nicht, wer dahintersteckt“, sagt Lukas Kandlhofer, stv. Klubdirektor der Wiener Rathaus-ÖVP, den SN.
Der Kindergarten „Marienkäfer“sei laufend kontrolliert worden und es habe „pädagogisch keine Beanstandungen“gegeben. Derzeit gebe es eine Anfrage beim Verfassungsschutz. Wenn diese neue Erkenntnisse bringe, könnte die Förderung für den Kindergarten gestrichen werden, sagt eine Sprecherin von Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky den SN. Ein weiterer ATIB nahestehender Kindergarten in der Brigittenau, „Wunderland“, wurde nach einem Förderstopp – weil nicht alle abgerechneten Kinder „belegt“werden konnten – aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen.
Der Religionspädagoge Ednan Aslan hatte Ende 2015 von 150 islamischen Kindergärten mit 10.000 Kindern in Wien gesprochen – nur ein Viertel sei unbedenklich. Zwei Jahre später wurde in einer breiteren Studie festgestellt, dass die Religion zunehmend gerade aus den islamischen Kindergärten gedrängt worden sei, auch weil die Aslan-Pilotstudie zur Stigmatisierung islamischer Kindergärten geführt habe.
Offizielle Zahlen zu Islam-Kindergärten gibt es nicht. 2015 hatte die damals für Integration zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger erklärt, „es gibt keine islamischen Kindergärten in Wien“– allerdings mit dem oft unterschlagenen Nachsatz – „weil sich alle an den Wiener Bildungsplan halten müssen“.
Es gibt tatsächlich kein eigenes Regelwerk für islamische Kindergärten – sie müssen sich wie alle anderen Einrichtungen an den rund 70 Seiten langen Wiener Bildungsplan halten. Expliziter „Unterricht“in Religion ist dort nicht erlaubt. Spielerisches, kindgerechtes Befassen mit (allen) Religionen allerdings schon. Im Vorjahr wurde ein „Ethik im Kindergarten“-Leitfaden erarbeitet. Dezidiert festgehalten wird darin die nun verpflichtende Darlegung gegenüber den Eltern, ob und wie religiöse Erziehung stattfinde. Ideologische Indoktrinierung oder andere Zwangsausübungen werden dabei klar abgelehnt.
„Die islamischen Kindergärten haben seinerzeit alle das Fenster ausgenutzt, das 2009 mit dem Gratiskindergartenjahr aufgemacht wurde“, sagt ÖVP-Mann Kandlhofer. „Die Stadt Wien hat in dieser Phase jeden Kindergartenplatz genommen, das haben die islamischen Kindergärten ausgenutzt.“
Nicht nur – aber auch bei einer Reihe von islamischen Kindergärten kamen in der Folge Unregelmäßigkeiten auf. 2015 wurde rund um Abdullah P. ein Fall von mutmaßlichem Förderbetrug in Höhe von mehreren Millionen bei einem islamischen Kindergartenverein bekannt. Im Vorjahr war es der Verein „Oase des Kindes“, der 280 Kinder betreute und dem die Subventionen wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten gestrichen wurden. Der Verein hatte kurz zuvor zehn Standorte der nach finanziellen Unregelmäßigkeiten insolventen nicht islamischen Alt-Wien-Kindergärten übernommen. Der „Oase“-Obmann hatte verschwiegen, dass der ehemalige Kindergartenbetreiber Hassan M. im Hintergrund wirkte. Dieser soll bei einem anderen Kindergarten der Gemeinde Wien Rechnungen für den Bau eines Marmorbrunnens und eines Marmorkamins vorgelegt haben. Mittlerweile wird Hassan M., früher auch Vorsitzender der Arabischen Kultusgemeinde, die Veruntreuung von zehn Millionen Euro Fördergeldern vorgeworfen. Mängel in der Kontrolle wurden immer wieder kritisiert. Im Rathaus heißt es, die aufgeflogenen Fälle zeigten, dass die verstärkten Kontrollen nun griffen.
2016 bemängelte auch der Wiener Rechnungshof in zwei Prüfberichten die intransparente Förderung privater Kindergartenplätze.
Czernohorszkys Sprecherin verweist darauf, dass das Kontrollteam auf 20 Kontrolleure aufgestockt worden sei. 2017 hätten mehr als 3000 Vor-Ort-Kontrollen stattgefunden. Im Vorjahr seien 86 private Kindergärten geschlossen worden. 41 aus pädagogischen und/oder baulichen Gründen, 56 u. a. auch aus wirtschaftlichen Gründen. Islamische Indoktrination habe jedenfalls zu keiner Schließung geführt, „weil wir das nicht vorfanden“.
Das Wiener Kindergartengesetz wurde zudem Ende 2017 verschärft. Betreiber müssen einen Businessplan vorlegen und werden genauer durchleuchtet. Es muss künftig auch dargelegt werden, „ob religiöse Erziehung vermittelt“werde.
Die ÖVP Wien fordert weiter eine Aufstockung der Kontrolle. „Wir hätten gern 100 Kontrolleure im Endstadium“. Auch „Mystery Shopping“wünscht man sich. Vertreter der Gemeinde Wien sollten als Elternteil getarnt herausfinden, wer hinter den Einrichtungen stecke. Auch im ÖVP-Rathausklub räumt man ein, dass das Problembewusstsein der Stadt Wien besser geworden sei – „die Probleme sind aber durch jahrelanges Wegschauen entstanden.“
„Die Stadt Wien nahm damals jeden Kindergartenplatz.“Lukas Kandlhofer, ÖVP-Rathausklub