Zu Hause zwischen Büchern
In der Romanverfilmung „Der Buchladen der Florence Green“erzählt die spanische Regisseurin Isabel Coixet vom Anderssein mit seinen Vor- und Nachteilen.
WIEN, CANNES. England, in den späten Fünfzigerjahren: Die frisch verwitwete Florence Green (gespielt von Emily Mortimer) zieht in eine kleine Küstenstadt und eröffnet eine ambitionierte Buchhandlung. Doch nach anfänglicher Neugierde schlägt ihr zunehmend offene Feindschaft entgegen, unter anderem von Society-Dame Violet. Nur der verschrobene Bücherfreund Edmund Brundish hält zu ihr: „Der Buchladen der Florence Green“(ab Freitag im Kino) erzählt vor malerischer Kulisse von einer Frau, die ihre Trauer produktiv zu nutzen versucht. Verfilmt wurde der Erfolgsroman der Schriftstellerin Penelope Fitzgerald von der spanischen Regisseurin Isabel Coixet. SN: Haben Buchhandlungen für Sie einen besonderen Zauber? War das der Grund für den Film? Isabel Coixet: Ja, ich habe mir schon als Kind immer ausgemalt, eine Buchhandlung zu besitzen, und in Wahrheit denke ich bis heute darüber nach. Meine Eltern haben viele Bücher besessen und mich oft ins Kino mitgenommen, sie waren beide aus der Arbeiterklasse, und das war der einzige Luxus, den sie sich geleistet haben. Mir haben immer die Leute leidgetan, die nicht gerne lesen und die nicht diese Aufregung, diesen Kitzel verspürt haben, Bradbury zu entdecken oder Nabokov oder Stendhal. Ich empfinde diese Erfahrung als ein Privileg, das nicht zu haben ist wirklich traurig. SN: Sie nennen Nabokov, dessen „Lolita“ja auch im Film eine entscheidende Rolle spielt. „Lolita“war eines der ersten Bücher, die ich auf Englisch gelesen habe. Ich erinnere mich, wie ich mit dem Wörterbuch dagesessen bin, weil ich nicht alle Vokabeln kannte. Ich habe viel bei diesem Buch gelernt, und ich bin immer noch beeindruckt, dass Nabokov dieses Buch nicht in seiner russischen Muttersprache geschrieben hat, sondern auf Englisch, das er erst so spät im Leben gelernt hat. Die Anmut, mit der er englisch schreibt, ist überwältigend. SN: Was reizte Sie an Penelope Fitzgeralds Romanvorlage? Ich mochte diese Figur, die Einfachheit dieser Geschichte, und zugleich ihre Vielschichtigkeit. Für mich ist diese bescheidene Frau eine Heldin. Sie ahnt nicht, was sie erwartet, sie kennt die Gefahren nicht, die darin liegen, zu einer mächtigen Person Nein zu sagen, und gerade diese Unschuld treibt sie an. Ich bin immer wieder gefragt worden, ob meine Filme autobiografisch sind, und ich habe immer verneint – aber dieser Buchhändlerin fühle ich mich sehr nahe. Sie ist allein, fühlt sich aber nie einsam, weil sie umgeben ist von Büchern. Das gefällt mir. SN: Im Kern handelt der Film davon, wie eine Frau dafür bestraft wird, dass sie sich nicht anpasst, oder? Ja, für mich beginnt die Verschwörung gegen Florence eigentlich schon am Anfang, als sie verlegen das rote Kleid anprobiert und die Modistin ihr sagt: „Keine Sorge, das ist gar nicht so rot, niemand wird Sie beachten!“Das ist ein Anzeichen dafür, dass die Leute sie nicht dabeihaben wollen und wollen, dass sie das zu spüren bekommt. Das ist etwas, unter dem viele leiden. Wenn du in der Schule bist und als Einzige kein Pausenbrot mithast, oder wenn alle für den Fußballclub Barça sind, und du nicht – daran kann ich mich erinnern, Barça war wie der Papst, die durften nicht angezweifelt werden. Und auf einmal schmeißt dir jemand einen Stein nach, denn wie kannst du es wagen, nicht konform zu sein!
Viele Leute erleben so etwas, an irgendeinem Punkt in ihrem Leben. Die meisten interessanten Leute zumindest! SN: Sie haben bei bisher allen Filmen als Kamerafrau gearbeitet. Ist das, weil Sie die Kontrolle nicht aus der Hand geben wollen? Das hat nicht viel mit Kontrolle zu tun, ich liebe es einfach. Für mich ist die Wahl des Bildausschnitts Teil des Jobs einer Regisseurin. Ich verstehe andere Regisseure nicht, man verschwendet da so viel Energie damit, zu erklären, wie man’s haben will, in der Zeit kann ich es auch selbst machen.
Ich mache das unglaublich gerne, auch wenn mein Rücken mich umbringt. Ich liebe es einfach, und ich bin gern nah bei den Schauspielern. Vielleicht könnte mich ja auch einmal jemand anderer als Kamerafrau engagieren? Ich bin gar nicht schlecht!