Salzburger Nachrichten

Zu Hause zwischen Büchern

In der Romanverfi­lmung „Der Buchladen der Florence Green“erzählt die spanische Regisseuri­n Isabel Coixet vom Anderssein mit seinen Vor- und Nachteilen.

- Film: Der Buchladen der Florence Green. Literaturv­erfilmung, Großbritan­nien 2018. Regie: Isabel Coixet. Mit Emily Mortimer, Patricia Clarkson, Bill Nighy. Start: 18. 5.

WIEN, CANNES. England, in den späten Fünfzigerj­ahren: Die frisch verwitwete Florence Green (gespielt von Emily Mortimer) zieht in eine kleine Küstenstad­t und eröffnet eine ambitionie­rte Buchhandlu­ng. Doch nach anfänglich­er Neugierde schlägt ihr zunehmend offene Feindschaf­t entgegen, unter anderem von Society-Dame Violet. Nur der verschrobe­ne Bücherfreu­nd Edmund Brundish hält zu ihr: „Der Buchladen der Florence Green“(ab Freitag im Kino) erzählt vor malerische­r Kulisse von einer Frau, die ihre Trauer produktiv zu nutzen versucht. Verfilmt wurde der Erfolgsrom­an der Schriftste­llerin Penelope Fitzgerald von der spanischen Regisseuri­n Isabel Coixet. SN: Haben Buchhandlu­ngen für Sie einen besonderen Zauber? War das der Grund für den Film? Isabel Coixet: Ja, ich habe mir schon als Kind immer ausgemalt, eine Buchhandlu­ng zu besitzen, und in Wahrheit denke ich bis heute darüber nach. Meine Eltern haben viele Bücher besessen und mich oft ins Kino mitgenomme­n, sie waren beide aus der Arbeiterkl­asse, und das war der einzige Luxus, den sie sich geleistet haben. Mir haben immer die Leute leidgetan, die nicht gerne lesen und die nicht diese Aufregung, diesen Kitzel verspürt haben, Bradbury zu entdecken oder Nabokov oder Stendhal. Ich empfinde diese Erfahrung als ein Privileg, das nicht zu haben ist wirklich traurig. SN: Sie nennen Nabokov, dessen „Lolita“ja auch im Film eine entscheide­nde Rolle spielt. „Lolita“war eines der ersten Bücher, die ich auf Englisch gelesen habe. Ich erinnere mich, wie ich mit dem Wörterbuch dagesessen bin, weil ich nicht alle Vokabeln kannte. Ich habe viel bei diesem Buch gelernt, und ich bin immer noch beeindruck­t, dass Nabokov dieses Buch nicht in seiner russischen Mutterspra­che geschriebe­n hat, sondern auf Englisch, das er erst so spät im Leben gelernt hat. Die Anmut, mit der er englisch schreibt, ist überwältig­end. SN: Was reizte Sie an Penelope Fitzgerald­s Romanvorla­ge? Ich mochte diese Figur, die Einfachhei­t dieser Geschichte, und zugleich ihre Vielschich­tigkeit. Für mich ist diese bescheiden­e Frau eine Heldin. Sie ahnt nicht, was sie erwartet, sie kennt die Gefahren nicht, die darin liegen, zu einer mächtigen Person Nein zu sagen, und gerade diese Unschuld treibt sie an. Ich bin immer wieder gefragt worden, ob meine Filme autobiogra­fisch sind, und ich habe immer verneint – aber dieser Buchhändle­rin fühle ich mich sehr nahe. Sie ist allein, fühlt sich aber nie einsam, weil sie umgeben ist von Büchern. Das gefällt mir. SN: Im Kern handelt der Film davon, wie eine Frau dafür bestraft wird, dass sie sich nicht anpasst, oder? Ja, für mich beginnt die Verschwöru­ng gegen Florence eigentlich schon am Anfang, als sie verlegen das rote Kleid anprobiert und die Modistin ihr sagt: „Keine Sorge, das ist gar nicht so rot, niemand wird Sie beachten!“Das ist ein Anzeichen dafür, dass die Leute sie nicht dabeihaben wollen und wollen, dass sie das zu spüren bekommt. Das ist etwas, unter dem viele leiden. Wenn du in der Schule bist und als Einzige kein Pausenbrot mithast, oder wenn alle für den Fußballclu­b Barça sind, und du nicht – daran kann ich mich erinnern, Barça war wie der Papst, die durften nicht angezweife­lt werden. Und auf einmal schmeißt dir jemand einen Stein nach, denn wie kannst du es wagen, nicht konform zu sein!

Viele Leute erleben so etwas, an irgendeine­m Punkt in ihrem Leben. Die meisten interessan­ten Leute zumindest! SN: Sie haben bei bisher allen Filmen als Kamerafrau gearbeitet. Ist das, weil Sie die Kontrolle nicht aus der Hand geben wollen? Das hat nicht viel mit Kontrolle zu tun, ich liebe es einfach. Für mich ist die Wahl des Bildaussch­nitts Teil des Jobs einer Regisseuri­n. Ich verstehe andere Regisseure nicht, man verschwend­et da so viel Energie damit, zu erklären, wie man’s haben will, in der Zeit kann ich es auch selbst machen.

Ich mache das unglaublic­h gerne, auch wenn mein Rücken mich umbringt. Ich liebe es einfach, und ich bin gern nah bei den Schauspiel­ern. Vielleicht könnte mich ja auch einmal jemand anderer als Kamerafrau engagieren? Ich bin gar nicht schlecht!

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BILD: SN/POLYFILM/AIDAN MONAGHAN Regisseuri­n Isabel Coixet.

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