Leistungsdruck – oder doch Freiheit, selbst zu gestalten?
Im August 2017 ging ein Raunen durch die Handelswelt und die Wall Street jubelte: Der Internetgigant Amazon riss sich doch glatt die US-amerikanische Biokette Whole Foods mit fast 500 Läden unter den Nagel. Das war mit 13,7 Mrd. US-Dollar (11,6 Mrd. Euro) nicht nur eine der größten Übernahmen der Branche überhaupt. Damals verstanden auch die letzten traditionellen Einzelhändler, dass aus der digitalen über Nacht eine greifbare analoge Gefahr werden kann, weil sich Internetkonzerne eben nicht mit der Eroberung des Netzes zufriedengeben. Bemerkenswert ist, was seither geschah: Vor allem für Whole Foods hat die Übernahme nicht so reibungslos funktioniert. Die Kette hat traditionelle Käufer verloren. Viele der ursprünglichen Lebensmittel sind nicht mehr in den Regalen zu finden, es gibt zahlreiche Berichte über empörte Kunden. Whole Foods, seit den Achtzigerjahren ein Pionier der Biobewegung, galt jahrzehntelang als einer der besten Arbeitgeber der USA, weil Mitarbeiter viel Entscheidungsund Gestaltungsfreiheit hatten und auf lokale Vorlieben ihrer Kunden Rücksicht nehmen konnten. Nun hat Whole Foods diesen Ehrenplatz innerhalb kürzester Zeit verloren.
Einer der wesentlichen Gründe, schreiben die Wissenschafter Dennis Campbell und Tatiana Sandino von der Harvard Business School, seien die unterschiedlichen Unternehmenskulturen: Amazon achte auf Daten und Leistung, Whole Foods auf die Wünsche der Kunden und Spielräume für die Mitarbeiter. „Das ist, wie wenn man Leitungswasser und Bio-Olivenöl zusammenschütten will.“
Amazon kann Massengeschäft mit günstigen Preisen, getrimmt auf Effizienz. Ob der Konzern das feine Gespür für lokale Nahversorgung mit frischen Lebensmitteln mitbringt, gewürzt mit einer Prise an persönlicher Beziehung und einem Faible für Qualität, ist offen. Das wiegt schwer, denn die Qualitätsansprüche in Bezug auf Lebensmittel nehmen gerade bei Familien, gut ausgebildeten Menschen und Gutverdienern stark zu. Mindestens so schwer wiegt, die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter zu verlieren. Denn das ist die Währung des 21. Jahrhunderts. Offensichtlich verschmelzen Online und Offline doch nicht widerstandslos. Zumindest in Sachen Kultur tun sich Gräben auf.