Spitzenköche fordern: „Freiheit, Gleichheit, Camembert!“
Den Franzosen ist ihr Käse heilig: Fast 26 Kilogramm davon verspeist jeder pro Jahr. Doch jetzt wird Alarm geschlagen – der bekannte Camembert scheint in Gefahr zu sein.
Normandie-Camembert darf künftig auch mit pasteurisierter Milch hergestellt werden – und nicht mehr nur mit Rohmilch. Das treibt französische Spitzenköche auf die Barrikaden. Denn: Der Käse werde seinen Charakter verlieren und eine „vulgäre weiche Paste ohne Geschmack“werden, heißt es in einem Appell in der Zeitung „Libération“. Das sei ein „verhängnisvolles Risiko für Bauern und Verbraucher“. Unterzeichnet haben den Gastbeitrag unter anderem die französischen Starköche Sébastien und Michel Bras, Olivier Roellinger und Anne-Sophie Pic sowie weitere Käseproduzenten und Winzer. Sie protestieren darin gegen eine Entscheidung des INAO-Instituts, das in Frankreich über die traditionelle Herstellung von Lebensmitteln wacht.
Im Februar hatte das Institut verkündet, dass künftig auch Normandie-Camembert aus pasteurisierter Milch das begehrte AOP-Herkunftssiegel tragen darf. Damit sollte ein verwirrendes Nebeneinander von verschiedenen Normandie-Camemberts beendet werden – und ein seit Jahren andauernder Streit zwischen Produzenten der nordfranzösischen Region. Die Unterzeichner des Appells nennen das „Schande, Skandal, Betrug“. Der „echte“Camembert werde zum Luxusgut, während sich die meisten Verbraucher mit industriell hergestellter Ersatzware zufriedengeben müssten. „Wir fordern das Recht auf gutes Essen in der ganzen Republik!“, schreiben sie und enden mit einem augenzwinkernden „Freiheit, Gleichheit, Camembert!“
Frankreich gilt als „Land der tausend Käse“. Und die Franzosen lieben ihn in all seiner Vielfalt – 1200 Sorten sollen es laut dem Dachverband der Milchindustrie sein. Die genaue Zahl ist aber heiß umstritten und es gibt unterschiedlichste Schätzungen dazu. Fast 26 Kilogramm Käse isst jeder Franzose pro Jahr (in Österreich sind es pro Kopf 23 Kilogramm), vor den richtig guten Käsehändlern auf den Pariser Märkten stehen die Käufer geduldig Schlange. In traditionellen französischen Restaurants ist die Käseplatte fester Bestandteil des Abendessens. Und von klein auf lernt jeder Franzose, wie man Käse richtig aufschneidet – beim Camembert etwa von der Mitte her, sodass jeder Gast etwas vom besonders saftigen Herz des Käses mitbekommt.
Esskultur und die Besonderheiten der Regionen sind für die Franzosen ganz wichtig – vielleicht wird der Käse auch deshalb als eine Art Symbol für die Kulturnation Frankreich verstanden. General Charles de Gaulle soll einmal gefragt haben: „Wie soll man ein Land regieren, wo es 246 Käsesorten gibt?“(Wobei es auch hier zur genannten Zahl unterschiedliche Angaben gibt.)
Allerdings kommt es immer wieder zu Problemen mit Rohmilchkäse. Ende April rief ein französisches Unternehmen wegen einer Verunreinigung mit Kolibakterien Camembert aus der Normandie zurück.
Vergangene Woche rief die französische Handelskette Leclerc Käse aus der Alpenregion Savoyen zurück, nachdem sieben Kleinkinder mit dem Darmkeim Escherichia coli infiziert wurden. Die Behörden raten generell dazu, bei kleinen Kindern vorsichtshalber auf Rohmilch und aus Rohmilch hergestellten Käse zu verzichten.