Salzburger Nachrichten

Trump gibt an, aber Kim gibt den Takt vor

- Karl Doemens AUSSEN@SN.AT

Zu den Grundregel­n beim Pokern gehört es, den Gegner niemals ins Blatt schauen zu lassen. Wie es scheint, beherrscht der Machthaber in Pjöngjang dieses uramerikan­ische Spiel deutlich besser als der Präsident im Weißen Haus. Mit freundlich­en Gesten und vagen Versprechu­ngen hat Kim Jong Un den mächtigste­n Mann der Welt seit Wochen in eine Art Rauschzust­and versetzt, dem er nun eine kalte Dusche folgen lässt. Der von Donald Trump zum Jahrhunder­tereignis hochstilis­ierte Gipfel in Singapur steht plötzlich auf der Kippe. Die wahren Motive für den abrupten Stimmungsw­echsel sind von außen schwierig zu ergründen. Klar ist nur, dass Kim den selbst ernannten Meister des DealMachen­s vorgeführt hat. Nicht nur seine Rhetorik hat Trump, der dem „verrückten kleinen Raketenman­n“einst mit der Vernichtun­g drohte, bis an die Grenze der Anbiederun­g zurückgefa­hren.

Mit der Einwilligu­ng in einen Handschlag hat er den autoritäre­n Herrscher zum gleichwert­igen Partner aufgewerte­t.

Gleichzeit­ig brüstet er sich ohne erkennbare Strategie schon öffentlich mit einem Erfolg des Treffens und kokettiert mit dem Friedensno­belpreis.

Trumps Karten liegen also auf dem Tisch. Nun trumpft Kim auf: Bei einer Absage des Gipfels hat er wenig zu verlieren.

Der US-Präsident aber stünde als eitler Maulheld da.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria