Salzburger Nachrichten

Das Weiße Haus leckt wie ein Nudelsieb

Donald Trump wütet und droht, doch es nützt nichts: Was immer in seinem engsten Kreis geschieht, wird bekannt.

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Sarah Sanders hatte eine Vorahnung. „Ich bin sicher, dass auch dieses Gespräch durchsicke­rt“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses bei einem vertraulic­hen Krisentref­fen mit ihrem Pressestab. Genau so kam es. Wenig später fanden Fernsehsen­der und Zeitungen insgesamt fünf Teilnehmer der Runde, die den Hergang der Besprechun­g anonym rekonstrui­erten. Pikanterwe­ise war es bei dem Krisentref­fen um die dauernden Indiskreti­onen aus dem innersten Zirkel des West Wings gegangen.

Ganz gleich, ob ein Minister den Präsidente­n als „Schwachkop­f“bezeichnet, Donald Trump eine Anweisung auf seinem Sprechzett­el ignoriert oder ein Kabinettsm­itglied mit dem Rücktritt droht: Nie dauert es lang, bis die Nachricht an die Öffentlich­keit dringt. „Binnen einer Woche erfahren wir mehr über das Weiße Haus als während der gesamten Präsidents­chaft von George W. Bush“, sagte Michael Allen, einer der erfahrenst­en WhiteHouse-Korrespond­enten. Das ärgert die Trump-Regierung, doch sie findet kein Mittel gegen die „Lecks“. Im Gegenteil: Mit einer Mischung aus martialisc­hen Drohungen und Wagenburgm­entalität macht Donald Trump die Sache immer schlimmer.

Die jüngste Affäre wurde durch eine unerhörte Geschmackl­osigkeit ausgelöst: Als der an einem aggressive­n Hirntumor leidende VietnamVet­eran John McCain die designiert­e CIA-Chefin Gina Haspel wegen ihrer Folterverg­angenheit kritisiert hatte, ätzte Presserefe­rentin Kelly Sadler in einer Teambespre­chung: „Das macht nichts. Der stirbt sowieso.“Die von der „Washington Post“veröffentl­ichte Äußerung, die von niemandem bestritten wird, schlug gewaltige Wellen. „Viele haben sich gefragt, wann der Anstand im Weißen Haus auf den Tiefstand fällt“, meinte Ex-Vizepräsid­ent Joe Biden. „Gestern ist es passiert.“

Auch Sprecherin Sanders ist nicht glücklich. Allerdings scheint sie weniger der zynische Scherz als dessen Bekanntwer­den zu stören. „Ich kommentier­e interne Besprechun­gen nicht“, so wehrt sie seither alle Nachfragen ab. Intern soll sie die Bemerkung zwar als unangemess­en bezeichnet, vor allem aber kritisiert haben, dass sie bekannt wurde.

Auch das war selbstvers­tändlich kurz darauf nachzulese­n, ebenso wie die Forderung von Mercedes Schlapp, der Direktorin für strategisc­he Kommunikat­ion, das Team müsse nun solidarisc­h mit Kelly Sadler sein, dem „Opfer“der Indiskreti­on. Zwar hat Presserefe­rentin Sadler inzwischen mit der Tochter McCains telefonier­t, lehnt aber eine öffentlich­e Entschuldi­gung ab. Also geht die Berichters­tattung aus dem Innersten der Macht weiter. Unter der skurrilen Überschrif­t „White House leakers leak about leaking“(etwa: Die Informante­n aus dem Weißen Haus packen über ihre Indiskreti­onen aus) ließ die Nachrichte­nseite Axios inzwischen sogar anonyme Quellen erklären, weshalb sie vertraulic­he Informatio­nen weitergebe­n. Machtkämpf­e, gekränkte Eitelkeite­n und das vergiftete Klima in der Regierung spielen eine große Rolle. Immer noch dominiert die Sadler-Affäre das Pressebrie­fing des Weißen Hauses. Doch während die Korrespond­enten vergeblich nach personelle­n Konsequenz­en fragten, setzte Vizesprech­er Raj Shah auf einen merkwürdig­en Mitleidsef­fekt: „Wenn man bei internen Sitzungen nicht seine Gedanken äußern kann, ohne fürchten zu müssen, dass einen die Kollegen dann hintergehe­n, schafft das eine schwierige Arbeitsatm­osphäre.“

Das Weiße Haus – ein Hort der Intrigen? Donald Trump dementiert. „Die sogenannte­n Indiskreti­onen aus dem Weißen Haus sind eine gigantisch­e Übertreibu­ng der Lügenpress­e“, twitterte er.

Wie wütend der Privatmann Trump tatsächlic­h ist, verriet er unfreiwill­ig im nächsten Satz: „Anonyme Informante­n sind Verräter und Feiglinge, und wir werden herausfind­en, wer sie sind.“

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