„Für die Seele bleibt keine Zeit“
Im Salzburger Landeskrankenhaus brodelt es – das sagt der Betriebsrat. Die Pflege habe zu viel Arbeit, die Patienten seien unzufrieden.
Markus Pitterka ist seit 2015 Betriebsrat im Salzburger Landeskrankenhaus. Im Interview spricht er von schlechter Stimmung bei der Spitalsbelegschaft.
SN: Sind Sie Raucher?
Markus Pitterka: Gelegentlich, ich rauche nur abends.
SN: Dann haben Sie kein Problem damit, dass die Spitalsmitarbeiter künftig ausstempeln müssen?
Ich persönlich habe kein Problem, weil ich als freigestellter Betriebsrat keiner Aufzeichnungspflicht unterliege. Aber ich halte grundsätzlich nichts davon. Ein Krankenhaus ist ein Betrieb der besonderen Art. Wir sind in der Arbeit emotionalen Belastungen ausgesetzt. Damit gehen alle Mitarbeiter unterschiedlich um. Der eine isst in einer Pause einen halben Apfel, der andere geht eine rauchen. Hier die Leute gegeneinander auszuspielen und ihnen ihre Kosten aufzurechnen halte ich für unwürdig. Das zeugt nicht gerade von Wertschätzung.
SN: Wie empfinden die Kollegen insgesamt die Wertschätzung ihrer Arbeit?
Die empfinden die Leute als sehr gering. Sie fühlen sich als reine Pflichterfüller. Die Stimmung an der Basis ist sehr schlecht. Die Arbeit ist so dicht geworden, dass es in manchen Bereichen Akkordarbeit geworden ist. Es gibt Ambulanzen, da sind ab neun Uhr morgens schon 100 Patienten da. Und wenn es nicht so ein extremer Tag ist, ist die Ambulanz um spätestens elf Uhr voll. 140 bis 160 Patienten an einem Wochentag ist normal. Das führt dazu, dass die Patienten warten und sich beschweren. Der Dienstgeber, das Land, hat die letzten zehn Jahre einfach zu wenig auf sich ändernde Voraussetzungen reagiert. Er hat es verabsäumt, mehr Personal einzustellen. Gerade im Bereich der Pflege ist zu knapp kalkuliert worden.
SN: Auf Nachfrage hört man aber stets, dass alle Planstellen voll besetzt sind.
Wir sind voll besetzt. Das ist ein Totschlagargument für diejenigen, die das glauben wollen. Es mag schon sein. Aber wir sind falsch niedrig voll besetzt. Ich behaupte, wir haben zwischen 40 und 60 Stellen in der Pflege zu wenig. Wie komme ich darauf? Man nimmt einfach die Überstunden und rechnet die auf Planposten um.
SN: Aber es wurde ja auch kein Personal abgebaut. Wo kommt der Mangel her?
Durch die Leistungsverdichtung. Das Land Salzburg hat diesbezüglich den Geldhahn nie richtig aufgedreht. Immer hat es geheißen, wir müssen sparen. Was die Verantwortlichen aber nicht verstanden haben: Du kannst kein Universitätsklinikum auf Sparflamme dahinsiechen lassen. Die medizinische Versorgung hat einen immensen Sprung nach vorn gemacht. Da braucht es auch mehr Personal. Mehr Personal in der Pflege, mehr Mediziner, auch in der Verwaltung. Aber das will keiner wahrhaben.
SN: Es wurde ja auch viel umstrukturiert. Pflegekräfte wurden zu größeren Einheiten zusammengefasst. Wie kommt das an?
Das ist ja auch ein Grund, warum die Stimmung sehr schlecht ist. Es werden Stationen zusammengelegt, große Einheiten gebildet. Damit man Mitarbeiter flexibel
durch den Tag schicken kann. Sie müssen auf anderen Stationen arbeiten. Aber die Kollegen haben alle Expertisen. Das Problem ist: Es gibt zwar Fachärzte, etwa für Dermatologie oder Kieferchirurgie. Aber leider gibt es formal keine Fachpfleger in diesen Bereichen. Aber de facto sind es Fachschwestern, wenn die zehn Jahre in der Abteilung arbeiten. Die haben jetzt natürlich die größte Sorge, wenn ihnen gesagt wird: Ab morgen ist alles anders.
SN: Spüren die Patienten diese Unzufriedenheit?
Die Patienten kriegen diesen immensen Leistungsdruck natürlich mit. Darum ist ja auch so viel Unzufriedenheit bei den Patienten da. Die Wartezeiten sind lang, es bleibt keine Zeit mehr für ein Gespräch. Es kommt nicht mehr vor, dass sich eine Schwester ans Bett setzt und einem Patienten zuhorcht. Für so etwas braucht man schon ein Konzil von der Psychosomatik. Und da hat man 14 Tage Wartezeit. Für die Seele der Patienten bleibt keine Zeit mehr. Das ist tragisch.
SN: Es laufen Regierungsverhandlungen. Wünschen Sie sich einen neuen Verantwortlichen für die Spitäler?
Ich wünsche mir eher einen anderen Finanzer. Oder zumindest ein Umdenken in dem Bereich. Wir brauchen mehr Geld für das Spital. Weil es die Bevölkerung braucht. Wir haben ja den Auftrag, die Bevölkerung zu versorgen. Dieser Auftrag ist gefährdet.