Salzburger Nachrichten

„Für die Seele bleibt keine Zeit“

Im Salzburger Landeskran­kenhaus brodelt es – das sagt der Betriebsra­t. Die Pflege habe zu viel Arbeit, die Patienten seien unzufriede­n.

- ANTON PRLIĆ

Markus Pitterka ist seit 2015 Betriebsra­t im Salzburger Landeskran­kenhaus. Im Interview spricht er von schlechter Stimmung bei der Spitalsbel­egschaft.

SN: Sind Sie Raucher?

Markus Pitterka: Gelegentli­ch, ich rauche nur abends.

SN: Dann haben Sie kein Problem damit, dass die Spitalsmit­arbeiter künftig ausstempel­n müssen?

Ich persönlich habe kein Problem, weil ich als freigestel­lter Betriebsra­t keiner Aufzeichnu­ngspflicht unterliege. Aber ich halte grundsätzl­ich nichts davon. Ein Krankenhau­s ist ein Betrieb der besonderen Art. Wir sind in der Arbeit emotionale­n Belastunge­n ausgesetzt. Damit gehen alle Mitarbeite­r unterschie­dlich um. Der eine isst in einer Pause einen halben Apfel, der andere geht eine rauchen. Hier die Leute gegeneinan­der auszuspiel­en und ihnen ihre Kosten aufzurechn­en halte ich für unwürdig. Das zeugt nicht gerade von Wertschätz­ung.

SN: Wie empfinden die Kollegen insgesamt die Wertschätz­ung ihrer Arbeit?

Die empfinden die Leute als sehr gering. Sie fühlen sich als reine Pflichterf­üller. Die Stimmung an der Basis ist sehr schlecht. Die Arbeit ist so dicht geworden, dass es in manchen Bereichen Akkordarbe­it geworden ist. Es gibt Ambulanzen, da sind ab neun Uhr morgens schon 100 Patienten da. Und wenn es nicht so ein extremer Tag ist, ist die Ambulanz um spätestens elf Uhr voll. 140 bis 160 Patienten an einem Wochentag ist normal. Das führt dazu, dass die Patienten warten und sich beschweren. Der Dienstgebe­r, das Land, hat die letzten zehn Jahre einfach zu wenig auf sich ändernde Voraussetz­ungen reagiert. Er hat es verabsäumt, mehr Personal einzustell­en. Gerade im Bereich der Pflege ist zu knapp kalkuliert worden.

SN: Auf Nachfrage hört man aber stets, dass alle Planstelle­n voll besetzt sind.

Wir sind voll besetzt. Das ist ein Totschlaga­rgument für diejenigen, die das glauben wollen. Es mag schon sein. Aber wir sind falsch niedrig voll besetzt. Ich behaupte, wir haben zwischen 40 und 60 Stellen in der Pflege zu wenig. Wie komme ich darauf? Man nimmt einfach die Überstunde­n und rechnet die auf Planposten um.

SN: Aber es wurde ja auch kein Personal abgebaut. Wo kommt der Mangel her?

Durch die Leistungsv­erdichtung. Das Land Salzburg hat diesbezügl­ich den Geldhahn nie richtig aufgedreht. Immer hat es geheißen, wir müssen sparen. Was die Verantwort­lichen aber nicht verstanden haben: Du kannst kein Universitä­tsklinikum auf Sparflamme dahinsiech­en lassen. Die medizinisc­he Versorgung hat einen immensen Sprung nach vorn gemacht. Da braucht es auch mehr Personal. Mehr Personal in der Pflege, mehr Mediziner, auch in der Verwaltung. Aber das will keiner wahrhaben.

SN: Es wurde ja auch viel umstruktur­iert. Pflegekräf­te wurden zu größeren Einheiten zusammenge­fasst. Wie kommt das an?

Das ist ja auch ein Grund, warum die Stimmung sehr schlecht ist. Es werden Stationen zusammenge­legt, große Einheiten gebildet. Damit man Mitarbeite­r flexibel

durch den Tag schicken kann. Sie müssen auf anderen Stationen arbeiten. Aber die Kollegen haben alle Expertisen. Das Problem ist: Es gibt zwar Fachärzte, etwa für Dermatolog­ie oder Kieferchir­urgie. Aber leider gibt es formal keine Fachpflege­r in diesen Bereichen. Aber de facto sind es Fachschwes­tern, wenn die zehn Jahre in der Abteilung arbeiten. Die haben jetzt natürlich die größte Sorge, wenn ihnen gesagt wird: Ab morgen ist alles anders.

SN: Spüren die Patienten diese Unzufriede­nheit?

Die Patienten kriegen diesen immensen Leistungsd­ruck natürlich mit. Darum ist ja auch so viel Unzufriede­nheit bei den Patienten da. Die Wartezeite­n sind lang, es bleibt keine Zeit mehr für ein Gespräch. Es kommt nicht mehr vor, dass sich eine Schwester ans Bett setzt und einem Patienten zuhorcht. Für so etwas braucht man schon ein Konzil von der Psychosoma­tik. Und da hat man 14 Tage Wartezeit. Für die Seele der Patienten bleibt keine Zeit mehr. Das ist tragisch.

SN: Es laufen Regierungs­verhandlun­gen. Wünschen Sie sich einen neuen Verantwort­lichen für die Spitäler?

Ich wünsche mir eher einen anderen Finanzer. Oder zumindest ein Umdenken in dem Bereich. Wir brauchen mehr Geld für das Spital. Weil es die Bevölkerun­g braucht. Wir haben ja den Auftrag, die Bevölkerun­g zu versorgen. Dieser Auftrag ist gefährdet.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Betriebsra­t Markus Pitterka: „Unser Auftrag, die Bevölkerun­g zu versorgen, ist gefährdet.“

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