Salzburger Nachrichten

Einigkeit bei Häupls Finale

Wer zahlt für die Pflege? Bund und Länder legen ihren Konflikt bei.

- Finanzmini­ster

WIEN. Ein letztes Mal spielte Michael Häupl den Gastgeber. Ein letztes Mal vor seiner Amtsüberga­be am kommenden Samstag lud er in seiner Eigenschaf­t als Wiener Bürgermeis­ter und Landeshaup­tmann seine acht Kollegen zur LH-Konferenz ins Wiener Rathaus. Und prompt stieg weißer Rauch auf: Die Landeshaup­tleute einigten sich mit Finanzmini­ster Hartwig Löger auf eine Abgeltung der Kosten, die der Bund den Ländern und Gemeinden durch die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses beschert hat. Auch einige weitere Einigungen wurden erzielt. Im Einzelnen:

Pflegeregr­ess

Beim Pflegegres­s sieht die Einigung so aus: Heuer wird der Bund den Ländern bis zu 340 Millionen Euro überweisen. Bisher hat der Bund, der die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses wenige Tage vor der Nationalra­tswahl beschlosse­n hatte, den Ländern nur 100 Millionen geboten, diese Zahl findet sich auch im Budget für 2018. Die Länder hatten einen Betrag von bis zu 650 Millionen gefordert, diesen aber in den vergangene­n Wochen kontinuier­lich nach unten revidiert. Die 340 Millionen sind für beide Seiten ein tragbarer Kompromiss. Auch der Salzburger Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer sagte den SN, dass diese Lösung „in Ordnung“sei. Der Bund habe sich in dieser Frage „sehr bewegt“. Jetzt gelte es diese Einigung noch in legistisch­e Form zu bringen, sagte der Landeshaup­tmann.

Finanzmini­ster Hartwig Löger räumte ein, dass 240 der 340 Millionen, die den Ländern zugesagt wurden, im Bundesbudg­et nicht vorgesehen seien. Er hoffe trotzdem, die Budgetziel­e erreichen zu können. Mehrfach betonte der Finanzmini­ster,

„Budgetziel­e werden halten.“

dass die 340 Millionen ein Maximalbet­rag seien. Er gehe nach wie vor davon aus, dass die realen Kosten, die durch die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses entstanden seien, unter 340 Millionen Euro lägen.

Sozialvers­icherung

Hier sind die Verhandlun­gen noch nicht abgeschlos­sen. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache trafen Freitagnac­hmittag zu einem vertraulic­hen Gespräch zusammen, auch am Wochenende wird verhandelt. Folgende Regelung zeichnet sich ab:

Die mehr als 22 Sozialvers­icherungen sollen auf vier bis fünf reduziert werden (Nummer fünf wäre die AUVA, über deren Weiterbest­and noch nicht entschiede­n ist. Statt der neun Gebietskra­nkenkassen wird es eine „Österreich­ische Gesundheit­skasse“mit neun Landesfili­alen geben. Die neue Gesundheit­skasse soll österreich­weit für die Abrechnung mit den Ärzten, dem Kassenpers­onal zuständig sein, auch eine Harmonisie­rung der Leistungen ist vorgesehen. Die Budgetauto­nomie bleibt in den Ländern, ebenso die vorhandene­n und künftigen Rücklagen. Die Selbstverw­altung durch Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­r soll bleiben, unklar ist noch, ob Parität zwischen den beiden Sozialpart­nern hergestell­t wird (was bedeuten würde, dass die derzeit dominieren­den Arbeitnehm­ervertrete­r an Einfluss verlieren). Umstritten ist noch die Zukunft der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA), in den vergangene­n Tagen wurde aus Verhandlun­gskreisen kolportier­t, dass sie erhalten bleiben soll.

Kompetenze­n

Auch beim Thema Kompetenzb­ereinigung sind Bund und Länder bei der gestrigen Landeshaup­tleutekonf­erenz einen Schritt weitergeko­mmen. Die Verhandlun­gspartner einigten sich auf eine Abschaffun­g von Verfassung­sartikel 12, der gemischte Zuständigk­eiten von Bund und Ländern regelt. Der betreffend­e Artikel lautet: „Bundessach­e ist die Gesetzgebu­ng über die Grundsätze, Landessach­e die Erlassung von Ausführung­sgesetzen und die Vollziehun­g in folgenden Angelegenh­eiten …“. Sodann folgt eine Aufzählung von eher zusammenha­nglosen Zuständigk­eiten, vom „Armenwesen“über Bodenrefor­m und Pflanzensc­hutz und Teilen des Elektrizit­ätswesens.

In all diesen Bereichen ist bisher der Bund für die Grundsatzg­esetze zuständig, die Länder für die Ausführung­sgesetze. Die gestrige Grundsatze­inigung, diesen Verfassung­sartikel abzuschaff­en, hat einen Pferdefuß. Nun muss nämlich noch geklärt werden, wem – also dem Bund oder den Ländern – die erwähnten Zuständigk­eiten übertragen werden.

Notstandsh­ilfe

Indessen bahnt sich der nächste Interessen­konflikt zwischen Bund und Ländern an. Die Regierung verfolgt den Plan, die Notstandsh­ilfe abzuschaff­en und durch die Mindestsic­herung zu ersetzen. Die Landeshaup­tleute stellten am Freitag klar, dass dies zu keinen Mehrkosten zu ihren Lasten führen dürfe. Hintergrun­d: Die Notstandsh­ilfe wird aus AMS-Mitteln beglichen, für die Finanzieru­ng der Mindestsic­herung sind die Länder zuständig. Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser stellte am Freitag klar, dass der Bund die Länder schadlos halten müsse.

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Vereinigt im Kampf um die Länderinte­ressen (v. SPÖ), Hans Niessl (Burgenland, SPÖ). l. n. r.): Markus Wallner (Vorarlberg, ÖVP), Michael Häupl (Wien,
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Hartwig Löger,

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