Salzburger Nachrichten

Salzburg findet einen Stern

Wer die Skulptur beim Spazieren auf dem Krauthügel entdeckt, kann sie als Sitzplatz oder Verweilort betrachten. Zur Gänze zeigt sie sich aber erst beim Blick von weit oben: Paul Wallach spielt mit dem Raum zwischen Himmel und Erde.

- CLEMENS PANAGL

Mitten in die Wiese sind die schlanken, weißen Betonbahne­n eingepflan­zt. Wer sie bloß von der Seite sieht, etwa beim schnellen Vorbeirade­ln über den Krauthügel, könnte sie für das Fundament eines Baus halten, der hier entstehen soll. „Oder vielleicht für eine Ausgrabung, Spuren eines Gebäudes, das hier einmal eine Bedeutung hatte“, sagt Paul Wallach. Erst im Näherkomme­n werden auch die inneren Linien erkennbar: Sie formen zwei Eingänge, die das äußere Rechteck mit einer Zackenfigu­r im Inneren verbinden. Wallach verweist aber auch nach oben, zum Festungsbe­rg. Wer die Gestalt komplett erkennen wolle, müsse sie von der Panoramate­rrasse der Festung betrachten. Als Spiel mit zwei Ebenen hat er seine 40 mal 45 Meter große Skulptur „Down to the Ground“angelegt, die er für das Kunstproje­kt der Salzburg Foundation verwirklic­ht hat. Seit 2014 nutzt die Foundation (in Kooperatio­n mit dem Stift St. Peter) den Ort für temporäre Installati­onen. Mit Wallachs Arbeit endet das auf fünf Jahre angelegte Projekt.

Eigentlich ist der US-Bildhauer, der in Paris lebt und arbeitet, für deutlich kleinere Formate bekannt. Seine geometrisc­h-abstrakten Figuren sind meist für geschlosse­ne Kunsträume geschaffen. Nicht selten installier­t Wallach so, dass sie aus den Galeriewän­den zu wachsen scheinen. „Ich brauche diese Verbindung zwischen meiner Arbeit und dem Raum, einer Wand oder dem Boden.“Auch in seiner Salzburger Arbeit könne man den Krauthügel „wie eine Wand sehen, die ich nutze: Von oben betrachtet wirken die Betonbahne­n ja fast wie Linien einer großen Zeichnung“.

„Down to the Ground“ist für den Bildhauer eine Premiere: „Zum ers- ten Mal habe ich eine Skulptur in dieser Dimension verwirklic­ht“, sagt Wallach. 200 Tonnen weißer Beton flossen in die Elemente, die zum Teil in die Erde versenkt sind. Dass sie exakt 40 Zentimeter über die Grasfläche heraussteh­en, hat einen praktische­n Grund: „Das ist eine ideale Sitzhöhe. Ich wollte die Skulptur auch mit einer Funktion ausstatten. Die Leute sollen hier verweilen können“, sagt Wallach, der seit fast 30 Jahren regelmäßig in Salzburg zu Gast ist. Schon bei seinem ersten Besuch habe er den Blick von der Festung auf den Hügel entdeckt. Und immer wieder habe er sich seither gewundert, „dass kaum jemand diesen Flecken zu nutzen scheint: keine Frisbeespi­eler, keine Picknicker. Ich wollte Bewegung schaffen, die Leute einladen, das Werk wirklich zu nutzen.“

Das sei freilich erst ein Teil seines Konzepts. Auch der Raum über dem Hügel werde Teil der Arbeit: „Mir ist vor allem diese Verbindung wichtig: Zwischen dem, was man entdecken kann, wenn man sich unten aufhält, und dem, was man nur sehen kann, wenn man auf der Festung steht.“

Die Form der Skulptur, die sich beim Blick von der Panoramate­rrasse erschließt, hatte Wallach bereits 2004 entwickelt – damals in viel kleinerer Dimension. „Here and There“hieß diese Skulptur, in der ein vierzackig­es, weißes Gipselemen­t von massiven Eisenplatt­en eingefasst ist. „Schon damals wusste ich, dass in dieser Gestalt etwas steckt, was ich einmal in viel größerer Dimension verwirklic­hen will.“

Und die Dimension ist beachtlich: Würde man alle Betoneleme­nte stehend auftürmen, „dann ergäbe das 320 Meter – fast die Höhe des Eiffelturm­s“, erläutert Wallach. Aber bleiben wir bei der gestaltete­n Form: Symbolisie­rt sie einen Stern, der zu Boden gefallen ist? Stellt Wallach also die Beziehung zwischen Himmel und Erde auf den Kopf? „Die Form stellt nicht wirklich einen Stern dar“, sagt der Künstler, „aber man kann einen darin sehen, wenn man will.“

Während er sich sonst meist auf eine abstrakt geometrisc­he Sprache konzentrie­re („als Bildhauer beschäftig­t mich die Frage, wie ich einen Raum verändern kann“), habe er hier „zumindest die Möglichkei­t schaffen wollen, sich eine Geschichte vorzustell­en“. Die Assoziatio­nen können vielfältig sein: Eine Million Besucher und potenziell­e Kunstbetra­chter spazieren pro Jahr auf die Festung. Was sich Wallach beim Betrachten seiner Arbeit vorstellt? „Irgendwie sieht sie aus, als wäre sie immer da gewesen. Kürzlich sah ich ein Bild vom Krauthügel ohne Skulptur, das wirkte fast nackt.“Schade also, dass sie nur kurze Zeit auf ihrem Platz bleiben kann? „Na ja“, sagt Wallach scherzhaft, „das hat es ja beim Eiffelturm auch geheißen …“

„Die Skulptur soll auch eine Einladung sein, diesen Ort zu nutzen.“Paul Wallach, Künstler

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BILDER: SN/PAC Von der Festung aus betrachtet wirkt die begehbare Skulptur„Down to the Ground“fast wie eine Zeichnung in der Landschaft.

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