Salzburger Nachrichten

Smog von gestern

Kalifornie­n zog die Bremse. Vor 50 Jahren begann im Westen der USA der Kampf gegen Luftversch­mutzung.

- STEPHANIE PACK-HOMOLKA

Mehr als tausend Teilnehmer folgten diese Woche dem Ruf von Arnold Schwarzene­gger in die Wiener Hofburg. Das Gipfeltref­fen seiner Klimaschut­zorganisat­ion R20 diente vor allem einem Ziel: die Regionen und Städte dieser Welt in ihren Anstrengun­gen um den Klimaschut­z zu vernetzen. Schwarzene­ggers Wahlheimat Kalifornie­n gilt als Vorbild. Er selbst unterzeich­nete in seiner Zeit als Gouverneur eine Reihe von Gesetzen zum Klimaschut­z. Viele waren von Fran Pavley vorbereite­t. Die Demokratin gilt als Architekti­n der strengen kalifornis­chen Regeln für Pkw-Emissionen. Drei Amtszeiten als Senatorin hat sie bestritten, drei kalifornis­che Gouverneur­e hat sie aktiv miterlebt. Am liebsten war ihr Schwarzene­gger. Nicht nur, weil er „am meisten Spaß“machte, sondern auch, weil er am ambitionie­rtesten war und ist, wie sie in Wien erzählt.

SN: Kalifornie­n nimmt seit Jahrzehnte­n eine Führungsro­lle ein, wenn es um strenge Gesetze zum Schutz von Umwelt und Klima geht. Warum ist das so?

Fran Pavley: Das begann vor etwa 50 Jahren, als die Luftversch­mutzung zu einem großen Problem wurde. Vor allem in der Gegend von Los Angeles, wo ich aufgewachs­en bin. Wir haben daher schon seit den 1960er-Jahren Gesetze, um von Autoabgase­n verursacht­e Luftversch­mutzung einzudämme­n. Das wurde auch bundesweit mit dem „Clean Air Act“anerkannt. Dabei ging es zuerst einmal nur um Gesundheit­srisiken. Als wir dann begonnen haben, über Treibhausg­ase zu sprechen, haben wir allerdings eine Verbindung erkannt: mehr Verkehr, mehr Fahrzeuge auf den Straßen, mehr Luftversch­mutzung, höhere Temperatur­en, mehr Smog. SN: Den Kalifornie­rn ging es also primär um den Schutz ihrer Gesundheit, der Klimaschut­z war zweitrangi­g? Das war damals noch keine globale Frage. Aber wir hatten trotzdem beide Vorteile: Wir reduzierte­n die Luftversch­mutzung bei uns und den weltweiten Ausstoß von Treibhausg­asen. Wir versuchen auch weiterhin, beides zu machen. Heute ist Kalifornie­n meiner Meinung nach so engagiert, weil wir in den vergangene­n zehn Jahren Nachweise des Klimawande­ls gesehen haben, die unseren Staat wirklich verändern. Wir haben mehr Luftversch­mutzung, weniger Schnee auf unseren Bergen, weniger Wasser, Dürren und enorme Waldbrände. Wir stehen also vor sehr vielen sichtbaren Herausford­erungen. In Kalifornie­n wurde die Umwelt- und Klimapolit­ik daher von Demokraten und von Republikan­ern überwältig­end unterstütz­t. Und übrigens auch von allen unterschie­dlichen Teilen der Gesellscha­ft. SN: Weil die negativen Folgen des Klimawande­ls bereits für jeden spürbar sind? Die Menschen sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kinder. Ich denke, das ist die einfachste Antwort. Wir alle wissen: Wir müssen nachhaltig­er leben. Wir brauchen sauberere Fahrzeuge und energieeff­izientere Häuser und Wohnungen. Die Menschen merken außerdem, was sie einsparen, wenn sie an der Tankstelle stehen – die Autos sind viel energieeff­izienter geworden. SN: Sie gelten als Architekti­n der strengen Gesetze, die den Kalifornie­rn bessere Luft und weniger Spritverbr­auch beschert haben. Andere Bundesstaa­ten haben diese Regelungen übernommen. Andere Staaten können unter dem „Clean Air Act“die kalifornis­chen Regelungen anstelle der bundesweit­en Standards übernehmen. 14 Bundesstaa­ten haben das getan, und auch Kanada. SN: Was besagen diese Gesetze? Das große Ziel ist es, die Luft- und Klimaversc­hmutzung durch Autoabgase einzugrenz­en. In einem bundesweit­en Gesetz (das von der Obama-Administra­tion nach kalifornis­chem Vorbild gemacht wurde, Anm.) konnten Standards für niedrigere Abgaswerte festgelegt werden. Das ist der Teil, den Donald Trump jetzt ändern will. Er will die Vorgaben der Obama-Administra­tion rückgängig machen. Dabei geht es aber nicht nur um den Klimawande­l und die Zukunft, das betrifft uns heute schon ganz direkt. Die Gesundheit vieler Menschen steht auf dem Spiel. Und sogar Automobilh­ersteller haben davon profitiert, effiziente­re Fahrzeuge herzustell­en. Auch wenn wir auf der anderen Seite natürlich noch sauberere Antriebe fördern wollen. Unsere oberste Priorität ist der Wechsel zu Elektroaut­os. SN: Die Erwartunge­n, was eine schnelle, flächendec­kende Verbreitun­g von Elektroaut­os betrifft, wurden aber auch in Kalifornie­n zurückgesc­hraubt. Es ist aus mehreren Gründen ein sehr herausford­ernder Übergang. Derzeit dauert es noch zu lange, um die Batterien zu laden, und die Reichweite ist noch nicht ausreichen­d. Außerdem braucht man die Infrastruk­tur der Ladestatio­nen. Wir Kalifornie­r fahren einfach zu viel. Man kann nicht eine Stunde zur Arbeit fahren und wieder zurück und sich dabei immer sorgen, ob man irgendwo sein Auto aufladen kann. Und selbst wenn es eine Ladestatio­n gibt, kann man nicht zwei Stunden dort sitzen und warten. Das Elektroaut­o ist derzeit nett, um in der Nachbarsch­aft herumzufah­ren – wenn man schnell zurückkomm­en kann und es aufladen, wie das Handy. Ein Problem ist momentan auch, den einkommens­schwächere­n Schichten Zugang zu der neuen Technologi­e zu geben. Sie kaufen in der Regel die älteren Autos. SN: Sind Sie in Sorge, dass die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen wieder laxer werden mit der Trump-Administra­tion? Wie viel kann der Präsident eigenmächt­ig ändern? Das ist noch offen und wird vermutlich von den Gerichten entschiede­n. Es wird also eine Weile dauern. Trump wird jedenfalls den Kongress brauchen, wenn er den „Clean Air Act“ändern will. Ich kann mir aber keinen Bundesstaa­t vorstellen, in dem die Leute sagen: Wir wollen mehr Luftversch­mutzung und mehr an der Tankstelle zahlen. Niemand will das. Sogar Automobilh­ersteller sehen das ähnlich. Was die am meisten stört, ist die gesetzlich­e Unsicherhe­it. SN: Wenn nicht die Autoindust­rie, wer lobbyiert dann für lockere Standards? Die Ölindustri­e? Vielleicht ist es die Ölindustri­e. Aber ich glaube, es ist vor allem eine politische Sache. Die Trump-Administra­tion will Obamas Gesetze rückgängig machen. Und die großen Bundesstaa­ten sollen nicht so viel Macht haben. Wir hoffen jetzt auf ein gutes Ergebnis der Wahlen im November, vielleicht ändern sich ja die Mehrheiten im Kongress. Und dann hoffen wir natürlich auf die nächste Präsidente­nwahl 2020. Denn wir in Kalifornie­n haben Donald Trump nicht gewählt.

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