Smog von gestern
Kalifornien zog die Bremse. Vor 50 Jahren begann im Westen der USA der Kampf gegen Luftverschmutzung.
Mehr als tausend Teilnehmer folgten diese Woche dem Ruf von Arnold Schwarzenegger in die Wiener Hofburg. Das Gipfeltreffen seiner Klimaschutzorganisation R20 diente vor allem einem Ziel: die Regionen und Städte dieser Welt in ihren Anstrengungen um den Klimaschutz zu vernetzen. Schwarzeneggers Wahlheimat Kalifornien gilt als Vorbild. Er selbst unterzeichnete in seiner Zeit als Gouverneur eine Reihe von Gesetzen zum Klimaschutz. Viele waren von Fran Pavley vorbereitet. Die Demokratin gilt als Architektin der strengen kalifornischen Regeln für Pkw-Emissionen. Drei Amtszeiten als Senatorin hat sie bestritten, drei kalifornische Gouverneure hat sie aktiv miterlebt. Am liebsten war ihr Schwarzenegger. Nicht nur, weil er „am meisten Spaß“machte, sondern auch, weil er am ambitioniertesten war und ist, wie sie in Wien erzählt.
SN: Kalifornien nimmt seit Jahrzehnten eine Führungsrolle ein, wenn es um strenge Gesetze zum Schutz von Umwelt und Klima geht. Warum ist das so?
Fran Pavley: Das begann vor etwa 50 Jahren, als die Luftverschmutzung zu einem großen Problem wurde. Vor allem in der Gegend von Los Angeles, wo ich aufgewachsen bin. Wir haben daher schon seit den 1960er-Jahren Gesetze, um von Autoabgasen verursachte Luftverschmutzung einzudämmen. Das wurde auch bundesweit mit dem „Clean Air Act“anerkannt. Dabei ging es zuerst einmal nur um Gesundheitsrisiken. Als wir dann begonnen haben, über Treibhausgase zu sprechen, haben wir allerdings eine Verbindung erkannt: mehr Verkehr, mehr Fahrzeuge auf den Straßen, mehr Luftverschmutzung, höhere Temperaturen, mehr Smog. SN: Den Kaliforniern ging es also primär um den Schutz ihrer Gesundheit, der Klimaschutz war zweitrangig? Das war damals noch keine globale Frage. Aber wir hatten trotzdem beide Vorteile: Wir reduzierten die Luftverschmutzung bei uns und den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen. Wir versuchen auch weiterhin, beides zu machen. Heute ist Kalifornien meiner Meinung nach so engagiert, weil wir in den vergangenen zehn Jahren Nachweise des Klimawandels gesehen haben, die unseren Staat wirklich verändern. Wir haben mehr Luftverschmutzung, weniger Schnee auf unseren Bergen, weniger Wasser, Dürren und enorme Waldbrände. Wir stehen also vor sehr vielen sichtbaren Herausforderungen. In Kalifornien wurde die Umwelt- und Klimapolitik daher von Demokraten und von Republikanern überwältigend unterstützt. Und übrigens auch von allen unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft. SN: Weil die negativen Folgen des Klimawandels bereits für jeden spürbar sind? Die Menschen sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kinder. Ich denke, das ist die einfachste Antwort. Wir alle wissen: Wir müssen nachhaltiger leben. Wir brauchen sauberere Fahrzeuge und energieeffizientere Häuser und Wohnungen. Die Menschen merken außerdem, was sie einsparen, wenn sie an der Tankstelle stehen – die Autos sind viel energieeffizienter geworden. SN: Sie gelten als Architektin der strengen Gesetze, die den Kaliforniern bessere Luft und weniger Spritverbrauch beschert haben. Andere Bundesstaaten haben diese Regelungen übernommen. Andere Staaten können unter dem „Clean Air Act“die kalifornischen Regelungen anstelle der bundesweiten Standards übernehmen. 14 Bundesstaaten haben das getan, und auch Kanada. SN: Was besagen diese Gesetze? Das große Ziel ist es, die Luft- und Klimaverschmutzung durch Autoabgase einzugrenzen. In einem bundesweiten Gesetz (das von der Obama-Administration nach kalifornischem Vorbild gemacht wurde, Anm.) konnten Standards für niedrigere Abgaswerte festgelegt werden. Das ist der Teil, den Donald Trump jetzt ändern will. Er will die Vorgaben der Obama-Administration rückgängig machen. Dabei geht es aber nicht nur um den Klimawandel und die Zukunft, das betrifft uns heute schon ganz direkt. Die Gesundheit vieler Menschen steht auf dem Spiel. Und sogar Automobilhersteller haben davon profitiert, effizientere Fahrzeuge herzustellen. Auch wenn wir auf der anderen Seite natürlich noch sauberere Antriebe fördern wollen. Unsere oberste Priorität ist der Wechsel zu Elektroautos. SN: Die Erwartungen, was eine schnelle, flächendeckende Verbreitung von Elektroautos betrifft, wurden aber auch in Kalifornien zurückgeschraubt. Es ist aus mehreren Gründen ein sehr herausfordernder Übergang. Derzeit dauert es noch zu lange, um die Batterien zu laden, und die Reichweite ist noch nicht ausreichend. Außerdem braucht man die Infrastruktur der Ladestationen. Wir Kalifornier fahren einfach zu viel. Man kann nicht eine Stunde zur Arbeit fahren und wieder zurück und sich dabei immer sorgen, ob man irgendwo sein Auto aufladen kann. Und selbst wenn es eine Ladestation gibt, kann man nicht zwei Stunden dort sitzen und warten. Das Elektroauto ist derzeit nett, um in der Nachbarschaft herumzufahren – wenn man schnell zurückkommen kann und es aufladen, wie das Handy. Ein Problem ist momentan auch, den einkommensschwächeren Schichten Zugang zu der neuen Technologie zu geben. Sie kaufen in der Regel die älteren Autos. SN: Sind Sie in Sorge, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen wieder laxer werden mit der Trump-Administration? Wie viel kann der Präsident eigenmächtig ändern? Das ist noch offen und wird vermutlich von den Gerichten entschieden. Es wird also eine Weile dauern. Trump wird jedenfalls den Kongress brauchen, wenn er den „Clean Air Act“ändern will. Ich kann mir aber keinen Bundesstaat vorstellen, in dem die Leute sagen: Wir wollen mehr Luftverschmutzung und mehr an der Tankstelle zahlen. Niemand will das. Sogar Automobilhersteller sehen das ähnlich. Was die am meisten stört, ist die gesetzliche Unsicherheit. SN: Wenn nicht die Autoindustrie, wer lobbyiert dann für lockere Standards? Die Ölindustrie? Vielleicht ist es die Ölindustrie. Aber ich glaube, es ist vor allem eine politische Sache. Die Trump-Administration will Obamas Gesetze rückgängig machen. Und die großen Bundesstaaten sollen nicht so viel Macht haben. Wir hoffen jetzt auf ein gutes Ergebnis der Wahlen im November, vielleicht ändern sich ja die Mehrheiten im Kongress. Und dann hoffen wir natürlich auf die nächste Präsidentenwahl 2020. Denn wir in Kalifornien haben Donald Trump nicht gewählt.