Salzburger Nachrichten

Die Stunde der Wölfe

- Alexandra Bleyer

Wie die Pariser im Hundertjäh­rigen Krieg litten Eine die erste Hälfte des 15. Jahrhunder­ts umfassende Chronik, das „Tagebuch eines Bürgers von Paris“, erlaubt uns Einblicke in den täglichen Existenzka­mpf der Stadtbewoh­ner. Zwar hält auch der anonyme Verfasser kriegerisc­he Ereignisse wie den 1429 unter der Führung Jeanne d’Arcs erfolgten, gescheiter­ten Angriff auf Paris fest. Mehr Raum widmet er den Gräueltate­n und Plünderung­en, den steigenden Lebensmitt­elpreisen und dem Hunger. „Arme Leute aßen kein Brot mehr, nur Kohl und Rüben, und Suppen daraus ohne Brot noch Salz“, schrieb er 1420. „Wenn der Hundetöter Hunde getötet hatte, gingen ihm die armen Leute aufs Feld nach, um das Fleisch oder die Eingeweide zum Essen zu haben.“

Der Krieg lockt stets Wölfe an. Bald „waren die Wölfe so hungrig, dass sie mit den Pfoten die Leichen derer ausgruben, die man in den Dörfern und auf den Feldern begrub“, und sie kamen bis in die Städte. 1438 hätten Wölfe in Paris Hunde und „auch des Nachts ein Kind“gefressen. Im Jahr darauf waren „die Wölfe so wütig, das Fleisch von Mann, Frau und Kind zu fressen, dass sie in der letzten Septemberw­oche vierzehn Personen umbrachten und fraßen, große wie kleine, […] in den Weinbergen wie in den Gemüseäcke­rn; und wenn sie auf eine Viehherde trafen, griffen sie den Hirten an und ließen die Tiere sein.“Die Pariser jagten einen gefürchtet­en Wolf, den sie „Stutzschwa­nz“nannten. Groß war das Aufsehen, als er gefangen in einem Schubkarre­n durch die Stadt geführt wurde; die Wolfsfänge­r kassierten dafür zehn Francs.

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BILD: SN/FOTOLIA-SAMIRAMAY

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