WIRTSCHAFT
Die größte Investition in Österreich zeigt, wie ein Hochlohnland wettbewerbsfähig sein kann.
Der Technologiekonzern Infineon erweitert den Standort Kärnten. 1,6 Mrd. Euro sind für ein Chipwerk reserviert.
Die Entscheidung musste schnell fallen, weil die bestehende Volumen-Fertigungsanlage für Halbleiter – jenes Herzstück moderner Mikroelektronik, die im selbstfahrenden Auto ebenso sitzt wie in vollautomatischen Fabriken – im Infineon-Werk Dresden bereits voll ausgelastet ist. In so einer Situation „zählt jeder Tag“, sagt Reinhard Ploss, Vorstandsvorsitzender des Münchner Infineon-Konzerns.
Der börsenotierte Chiphersteller nimmt 1,6 Milliarden Euro in die Hand, um ein zweites Werk für die Produktion hauchdünner Scheiben (Wafers) mit 300 Millimetern Durchmesser zu bauen, die gegenüber dem jetzigen Standard 30 Prozent Produktivitätsgewinn bringt.
Die neue Anlage am Rand des Werks in Villach wird vollautomatisch laufen, zugleich entstehen aber 400 hoch qualifizierte Arbeits- plätze, darunter Berufe wie Robotertrainer oder Datenwissenschafter. Infineon ist bei der DünnwaferTechnologie weltweit führend, die „Pizzaradln“– wie sie InfineonAustria-Chefin Sabine Herlitschka salopp nennt – erlauben die rasche Steuerung und Abwicklung komplexer elektronischer Abstimmungsvorgänge, wie sie für den Einsatz in Rechenzentren oder für die Steuerung komplexer Verkehrssysteme nötig sind.
Die 1,6 Mrd. Euro seien die größte industrielle Investition in Österreich „seit Langem“, vielleicht sogar in der gesamten Geschichte, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz. In diesen Zeiten sei es „nicht mehr selbstverständlich, dass solche Investitionen in Europa stattfinden“. Er zeigt sich „überglücklich“, es sei wichtig, dass Europa international aufhole und andere überhole.
Der Betrag entspricht acht Mal dem Jahresbudget der Stadt Villach, dem Standort von Infineon. Das Unternehmen erwartet sich aus der zweiten Volumensproduktion der 300-Millimeter-Wafer ein jährliches Umsatzplus von 1,8 Mrd. Euro. Rund zwei Drittel der genannten Investitionsmittel, die von 2019 bis 2025 fließen sollen, gehen in hochkomplexe Fertigungsmaschinen und in Informationstechnologie.
Herlitschka spricht von einem Meilenstein in wirtschaftlicher, technologischer und gesellschaftlicher Hinsicht, der auch „einen bedeutenden Schritt für die Zukunftssicherung unseres Hochtechnologiestandorts in Villach“darstelle.
Das sei keineswegs selbstverständlich, sagt sie mit Verweis auf die Geschichte des Standorts, der vor 5o Jahren gegründet wurde, damals als verlängerte Werkbank. Infrastrukturminister Norbert Hofer führt den Gedanken weiter. „Die Zeit der verlängerten Werkbänke geht zu Ende, indem wir hoch qualifizierte Arbeitsplätze anbieten.“
Nicht zuletzt die positive Einstellung der Politik und die guten Rahmenbedingungen samt der steuerlichen Situation haben laut Ploss den Ausschlag gegeben. Dazu komme die hohe Expertise in der in Villach entwickelten 300-Millimeter-Technologie. Damit sei man dem Mitbewerb deutlich voraus. Ploss schätzt den Vorsprung auf „ein paar Jahre“.
Dank der bestehenden Anlage in Villach war es hier schneller möglich, in die Fertigung großer Mengen zu gehen als an anderen Standorten. Weiters zur Auswahl gestanden wären das Schwesterwerk Dresden, der Standort Regensburg für Sicherheitsthemen oder ein Werk in Malaysia, sagt Ploss.
400 neue Jobs bei Infineon Villach bedeuten laut Studien die Sicherung von 1200 Arbeitsplätzen in ganz Österreich – etwa durch Zulieferbetriebe. Für Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ist das ein Beweis dafür, dass Digitalisierung „ein Jobmotor und kein Jobkiller“sei. Infineon bemüht sich um Forschungsförderungen von Bund, Land, Gemeinde und EU, es gebe aber keine Sonderförderungen, unterstreicht Schramböck. Der Baubeginn für die neue Anlage erfolgt Anfang 2019, zwei Jahre später will man die Produktion aufnehmen.
Infineon ist mit 18,5 Prozent Marktanteil der weltweit größte Anbieter von Leistungshalbleitern. Herlitschka spricht von „Energiespar-Chips“, die für die effiziente Steuerung etwa von E-Autos, Zügen, Windkraft- und Solaranlagen zuständig sind. Weiters kommen diese Produkte auch in Netzteilen für Handys, Notebooks und in Rechenzentren zum Einsatz.
In Villach beschäftigt man sich auch mit neuen Materialien. Auf Silizium folgt Siliziumkarbid, als nächster Werkstoff steckt bereits Galliumnitrid in den Startlöchern.