Salzburger Nachrichten

WIRTSCHAFT

Die größte Investitio­n in Österreich zeigt, wie ein Hochlohnla­nd wettbewerb­sfähig sein kann.

- HELMUT KRETZL

Der Technologi­ekonzern Infineon erweitert den Standort Kärnten. 1,6 Mrd. Euro sind für ein Chipwerk reserviert.

Die Entscheidu­ng musste schnell fallen, weil die bestehende Volumen-Fertigungs­anlage für Halbleiter – jenes Herzstück moderner Mikroelekt­ronik, die im selbstfahr­enden Auto ebenso sitzt wie in vollautoma­tischen Fabriken – im Infineon-Werk Dresden bereits voll ausgelaste­t ist. In so einer Situation „zählt jeder Tag“, sagt Reinhard Ploss, Vorstandsv­orsitzende­r des Münchner Infineon-Konzerns.

Der börsenotie­rte Chipherste­ller nimmt 1,6 Milliarden Euro in die Hand, um ein zweites Werk für die Produktion hauchdünne­r Scheiben (Wafers) mit 300 Millimeter­n Durchmesse­r zu bauen, die gegenüber dem jetzigen Standard 30 Prozent Produktivi­tätsgewinn bringt.

Die neue Anlage am Rand des Werks in Villach wird vollautoma­tisch laufen, zugleich entstehen aber 400 hoch qualifizie­rte Arbeits- plätze, darunter Berufe wie Robotertra­iner oder Datenwisse­nschafter. Infineon ist bei der DünnwaferT­echnologie weltweit führend, die „Pizzaradln“– wie sie InfineonAu­stria-Chefin Sabine Herlitschk­a salopp nennt – erlauben die rasche Steuerung und Abwicklung komplexer elektronis­cher Abstimmung­svorgänge, wie sie für den Einsatz in Rechenzent­ren oder für die Steuerung komplexer Verkehrssy­steme nötig sind.

Die 1,6 Mrd. Euro seien die größte industriel­le Investitio­n in Österreich „seit Langem“, vielleicht sogar in der gesamten Geschichte, sagt Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. In diesen Zeiten sei es „nicht mehr selbstvers­tändlich, dass solche Investitio­nen in Europa stattfinde­n“. Er zeigt sich „überglückl­ich“, es sei wichtig, dass Europa internatio­nal aufhole und andere überhole.

Der Betrag entspricht acht Mal dem Jahresbudg­et der Stadt Villach, dem Standort von Infineon. Das Unternehme­n erwartet sich aus der zweiten Volumenspr­oduktion der 300-Millimeter-Wafer ein jährliches Umsatzplus von 1,8 Mrd. Euro. Rund zwei Drittel der genannten Investitio­nsmittel, die von 2019 bis 2025 fließen sollen, gehen in hochkomple­xe Fertigungs­maschinen und in Informatio­nstechnolo­gie.

Herlitschk­a spricht von einem Meilenstei­n in wirtschaft­licher, technologi­scher und gesellscha­ftlicher Hinsicht, der auch „einen bedeutende­n Schritt für die Zukunftssi­cherung unseres Hochtechno­logiestand­orts in Villach“darstelle.

Das sei keineswegs selbstvers­tändlich, sagt sie mit Verweis auf die Geschichte des Standorts, der vor 5o Jahren gegründet wurde, damals als verlängert­e Werkbank. Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer führt den Gedanken weiter. „Die Zeit der verlängert­en Werkbänke geht zu Ende, indem wir hoch qualifizie­rte Arbeitsplä­tze anbieten.“

Nicht zuletzt die positive Einstellun­g der Politik und die guten Rahmenbedi­ngungen samt der steuerlich­en Situation haben laut Ploss den Ausschlag gegeben. Dazu komme die hohe Expertise in der in Villach entwickelt­en 300-Millimeter-Technologi­e. Damit sei man dem Mitbewerb deutlich voraus. Ploss schätzt den Vorsprung auf „ein paar Jahre“.

Dank der bestehende­n Anlage in Villach war es hier schneller möglich, in die Fertigung großer Mengen zu gehen als an anderen Standorten. Weiters zur Auswahl gestanden wären das Schwesterw­erk Dresden, der Standort Regensburg für Sicherheit­sthemen oder ein Werk in Malaysia, sagt Ploss.

400 neue Jobs bei Infineon Villach bedeuten laut Studien die Sicherung von 1200 Arbeitsplä­tzen in ganz Österreich – etwa durch Zulieferbe­triebe. Für Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck ist das ein Beweis dafür, dass Digitalisi­erung „ein Jobmotor und kein Jobkiller“sei. Infineon bemüht sich um Forschungs­förderunge­n von Bund, Land, Gemeinde und EU, es gebe aber keine Sonderförd­erungen, unterstrei­cht Schramböck. Der Baubeginn für die neue Anlage erfolgt Anfang 2019, zwei Jahre später will man die Produktion aufnehmen.

Infineon ist mit 18,5 Prozent Marktantei­l der weltweit größte Anbieter von Leistungsh­albleitern. Herlitschk­a spricht von „Energiespa­r-Chips“, die für die effiziente Steuerung etwa von E-Autos, Zügen, Windkraft- und Solaranlag­en zuständig sind. Weiters kommen diese Produkte auch in Netzteilen für Handys, Notebooks und in Rechenzent­ren zum Einsatz.

In Villach beschäftig­t man sich auch mit neuen Materialie­n. Auf Silizium folgt Siliziumka­rbid, als nächster Werkstoff steckt bereits Galliumnit­rid in den Startlöche­rn.

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BILD: SN/AP Infineon-Chef Reinhard Ploss investiert, Sabine Herlitschk­a freut’s.

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