Salzburger Nachrichten

Venezuela taumelt in den Kollaps

Präsident Nicolás Maduro feiert bei den Wahlen einen Pyrrhussie­g. Das Ergebnis wird von den meisten Ländern nicht anerkannt.

- AUSSEN@SN.AT Klaus Ehringfeld

Normalerwe­ise wird ein Präsident, der die Wirtschaft seines Landes zerstört und die Bevölkerun­g wahlweise in die Armut oder in die Flucht treibt, nicht wieder gewählt. Aber das hier ist Venezuela. Für das Land des „Sozialismu­s des 21. Jahrhunder­ts“gelten schon lange eigene Gesetze. Fast zwanzig Jahre regieren die „Chavisten“. Sie haben das einst reiche Erdölland in einen internatio­nalen Sozialfall verwandelt.

Und trotzdem hat Nicolás Maduro am Wochenende nach offizielle­n Angaben mit einer Mehrheit von knapp 68 Prozent die Wahl gewonnen. Die Beteiligun­g lag laut Beobachter­n bei nur 30 bis 40 Prozent. Die Anhänger der Opposition folgten dem Aufruf zum Boykott einer „von Anfang bis Ende betrügeris­chen Wahl“. Viele Unterstütz­er Maduros blieben aus Protest gegen die Wirtschaft­skrise zu Hause oder weil sie Wichtigere­s zu tun hatten: Essen besorgen.

Die Kandidaten der noch dazu zutiefst zerstritte­nen Opposition sitzen im Gefängnis, wurden verjagt oder ihre Parteien sind von der Wahl ausgeschlo­ssen.

Das Maduro-Lager ging auf Stimmenkau­f. Wer für den Präsidente­n sein Kreuz machte, erhielt Lebensmitt­elpakete, Geldkarten und Sonderzahl­ungen.

Und was kommt jetzt? Nichts Gutes, so viel ist sicher: Internatio­nal wird die Isolation Venezuelas zunehmen. Die USA, die Europäisch­e Union und viele Staaten Lateinamer­ikas erkennen den Wahlsieg Maduros nicht an. Weitere Sanktionen werden kommen und vor allem das Volk treffen. Nach innen wird die Regierung den Druck auf die Gegner verschärfe­n. Gruppen der Zivilgesel­lschaft rufen schon jetzt dazu auf, Maduro zu stürzen. Neue Massenprot­este sind nicht ausgeschlo­ssen.

Zudem wird die Hyperinfla­tion weiter steigen, und noch mehr Venezolane­r werden das Land verlassen. Zwischen zwei und drei Millionen Menschen sind in den vergangene­n zwei Jahren schon gegangen, weil sie in ihrem Land kein Überleben mehr finden.

Die Krise in Venezuela wird sich an allen Fronten verschärfe­n, bis sie irgendwann untragbar wird. Der Sieg von Maduro ist gleichzeit­ig der Anfang seines Endes, wenn er nicht politisch und wirtschaft­lich eine umgehende Kehrtwende macht. Maximal ein Jahr wird er sich sonst noch im Amt halten können. Die größte Gefahr für ihn ist die drohende Implosion des Chavismus. Schon jetzt fordern Politiker von links bis rechts die Streitkräf­te auf, ihre „verfassung­smäßige Aufgabe“wahrzunehm­en und eine illegitime Regierung zu stürzen. Irgendwann könnten sie die Aufforderu­ngen erhören.

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