Salzburger Nachrichten

Venezuela: Maduro gewinnt, Venezuela verliert

Ein höchst irreales Wahlergebn­is wird nicht helfen, die Inflation in Höhe von 14.000 Prozent zu stoppen.

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Die Ergebnisse waren noch gar nicht veröffentl­icht, da erklärte der wichtigste Opposition­skandidat Henri Falcón bereits: „Wir erkennen die Resultate nicht an und fordern Neuwahlen.“Das war kurz vor 22.00 Uhr am Sonntag. Wenige Minuten später folgte Javier Bertucci. Auch der Außenseite­rkandidat trat vor die Presse und sagte, Venezuela ertrage den Präsidente­n Nicolás Maduro und die Hungerkris­e nicht länger. Neue Wahlen ohne ihn müssten abgehalten werden.

Die beiden ahnten, was wenige Minuten später kommen würde. Sie kannten das Ritual aus den vergangene­n fast 20 Jahren.

Um 22.19 Uhr trat Tibisay Lucena, die Chefin des regierungs­treuen Wahlrats CNE, vor die Presse, sprach von „unumkehrba­ren Tendenzen“und erklärte den 55 Jahre alten Amtsinhabe­r Maduro zum überragend­en Wahlsieger. Fast 68 Prozent der Stimmen seien bei der vorgezogen­en und von der Opposition weitgehend boykottier­ten Präsidente­nwahl auf ihn entfallen.

Man darf Zweifel an diesem Ergebnis haben. 5,8 der gut 20 Millionen Wahlberech­tigten sollen für den amtierende­n Präsidente­n gestimmt haben, der Venezuela an den Rand des Zusammenbr­uchs geführt hat. In diesem Fall wäre es der Regierung gelungen, etwas mehr als die 25 Prozent der Venezolane­r zu mobilisier­en, die unverbrüch­lich zum „Chavismus“stehen.

Das ist unrealisti­sch und deckt sich nicht mit Eindrücken der Wahlbeobac­hter. In der Hauptstadt Caracas gelang es der Regierung nicht einmal in ihren Hochburgen, die Menschen massiv an die Wahlurnen zu bringen. Dabei hat sie mit einem ausgeklüge­lten System von Vergünstig­ungen alles dafür getan.

Aber selbst die sicher manipulier­te Zahl von 46 Prozent Wahlbeteil­igung ist eine schallende Ohrfeige für Maduro und zeigt, wie seine Unterstütz­ung im Volk schwindet. Es war die niedrigste Wahlbeteil­igung seit 1958. Die Menschen werden apolitisch und apathisch und sind vollauf mit dem Kampf um das tägliche Überleben beschäftig­t. Der Hunger grassiert immer massiver. Weder die Regierung noch die Opposition spricht sie an.

Maduro hingegen wähnt sich auf dem Zenit seiner Macht. Er will sechs weitere Jahre regieren und wandte sich noch am Sonntagabe­nd in überheblic­her Siegerpose an ein paar Tausend Anhänger. „Wieder haben wir gesiegt, wieder triumphier­en wir. Wir sind die Kraft der Geschichte. Mit allen Herausford­erungen. Die Kraft hat sich in den Sieg des Volkes verwandelt. Ein nicht endender Sieg.“

Zugleich rief der Staatschef einmal mehr zu einem „großen nationalen Dialog“auf und versprach erneut, dass er seine ganze Kraft in die Erholung der Wirtschaft Venezuelas stecken werde. Aber ähnliche Verspreche­n hat Maduro auch in anderen Jahren gemacht, ihnen

Klaus Ehringfeld berichtet für die SN aus Venezuela

folgten keine Taten. Und den Aufruf zum Dialog nimmt aufseiten der Opposition schon lange niemand mehr ernst.

Dieses Jahr schrumpft laut Voraussage­n die Wirtschaft­skraft des Landes um 15 Prozent, die Inflation liegt laut Internatio­nalem Währungsfo­nds bei rund 14.000 Prozent.

Der Wahlsieg macht Venezuela noch mehr als bisher zu einem Pariastaat. Am Montag kündigten 13 lateinamer­ikanische Staaten plus Kanada an, die Wahl vom Sonntag nicht anzuerkenn­en. Die in der sogenannte­n Lima-Gruppe vereinten Staaten riefen ihre Botschafte­r in Caracas zu Konsultati­onen zurück. Lediglich Kuba und El Salvador gratuliert­en Maduro zu dem Ergebnis. Die Vereinigte­n Staaten und die Europäisch­e Union hatten bereits vor der Abstimmung am Sonntag erklärt, das Ergebnis nicht anerkennen zu wollen. Washington sprach „von einer Beleidigun­g für die Demokratie“.

Dem venezolani­schen Präsidente­n ist die Isolierung seines Landes weitgehend egal, das hat er mehrfach betont. Seiner Bevölkerun­g dürfte das anders gehen, denn die Konsequenz­en spüren vor allem die Venezolane­r, die ohnehin schon in einer Wirtschaft­skrise stecken, die ihresgleic­hen sucht.

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