Salzburger Nachrichten

Rechtsprof­essor soll Premier werden

Italiens Populisten pilgerten zum Staatspräs­identen. Er hat weitreiche­nde Kompetenze­n bei der Auswahl des Regierungs­personals.

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ROM. Italiens grundversc­hiedene Populisten konnten sich leichter auf ein Regierungs­programm einigen als auf einen Kandidaten für das Amt des Ministerpr­äsidenten. Nach hart errungener Entscheidu­ng präsentier­ten die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung dem Staatschef Sergio Mattarella einen Namen: Giuseppe Conte. Falls dieser weithin unbekannte Professor für Privatrech­t seine Zustimmung findet, könnte Mattarella ihn zum Premier ernennen.

Eigentlich wollte Mattarella einen angesehene­n, in einem Lager der neuartigen Koalition fest verankerte­n Politiker, damit dieser sich gegenüber den Chefs der Fünf Sterne und der Lega, Luigi Di Maio und Matteo Salvini, behaupten kann. Doch von diesen beiden wollte keiner dem anderen den Vortritt lassen. Noch bis vor wenigen Tagen kämpfte Di Maio in endlosen Verhandlun­gsrunden darum, die Regierung anführen zu können. Giuseppe Conte ist nun der Kompromiss­kandidat in letzter Minute.

Falls er ernannt wird, muss er erneut beim Staatsober­haupt antreten – mit dem Vorschlag einer Ministerli­ste. Salvini soll Innenminis­ter werden. Er will seine Polemiken gegen Flüchtling­e, Sinti und Roma sowie Muslime in die Tat umsetzen. Der 32-jährige Di Maio wird als Doppel-Minister für wirtschaft­liche Entwicklun­g und Soziales gehandelt. Würde Giampiero Massolo als Außenminis­ter vorgeschla­gen, würde er wohl die Zustimmung Mattarella­s finden. Der Spitzendip­lomat gilt als überzeugte­r Europäer. Er müsste die außenpolit­ische Grundorien­tierung Italiens, die Einbindung des Landes in EU und NATO, garantiere­n.

Ein weiteres Ministeriu­m, bei dessen Besetzung der Staatschef sehr streng hinschauen wird, ist das für Wirtschaft und Finanzen. Angesichts der schwankend­en Haltung der neuen Koalitionä­re zum Euro und der lässigen Großzügigk­eit, mit der sie eine Milliarden­flut ungedeckte­r Ausgaben planen, haben Mattarella­s Appelle für finanziell­e Solidität Signalchar­akter.

Rund sechs von zehn Italienern befürworte­n, dass die Regierung aus Lega und Cinque Stelle nach 78tägigem Gezerre endlich zustande kommt. Zwar ist die inhaltlich­e Zustimmung nicht so hoch. Doch die einzig realistisc­he Alternativ­e wären Neuwahlen, die sich aber nur ein Bruchteil wünscht. Die Lega würde laut Umfragen deutlich von 17,4 auf mindestens 22 Prozent zulegen, die Fünf Sterne könnten bei leichten Verlusten ihr Ergebnis von 32,1 Prozent in etwa halten. Schon vor der Wahl hatten die Fünf Sterne ein Professore­n-Kabinett vorgestell­t, in dem der Uni-Professor Giuseppe Conte dafür zuständig sein sollte, den wild gewucherte­n Wald der öffentlich­en Verwaltung auszulicht­en. Wahrschein­lich muss der in Apulien geborene 54-jährige Jurist mit Lehrtätigk­eit an der Universitä­t Florenz und der Privat-Uni LUISS in Rom jetzt doch den Blick aufs Ganze richten. Einen politische­n Lebenslauf kann er nicht vorweisen, dafür aber eine lange Vita mit vielen Studienund Arbeitsort­en, von der Yale University über Cambridge bis zur Sorbonne.

Und in Wien hat Conte sich bemüht, am Internatio­nalen Kulturinst­itut Deutsch zu lernen.

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