Kriegsopfer nicht entschädigt
Kolumbien ist vor der Präsidentschaftswahl gespalten. Von den 7000 Kindersoldaten sind viele noch in der Hand der Rebellen. Und es gibt noch mehr Gründe für den Zorn auf die FARC.
„Das Volk fordert Gerechtigkeit und Entschädigung und ist daher mit dem Friedensvertrag, den die Regierung mit den FARC-Rebellen abgeschlossen hat, sehr unzufrieden.“Auf diesen Nenner bringt Pater Gabriel Mejía kurz vor der Präsidentschaftswahl, die am 27. Mai stattfindet, die Stimmung in seinem Heimatland Kolumbien.
Mehr als 50 Jahre hatte der Bürgerkrieg in Kolumbien gedauert, ehe die Regierung und die Rebellen 2016 einen Frieden ausgehandelt haben – für einen zu hohen Preis, wie viele meinen. Denn weder würden die Kriegsverbrechen gesühnt, noch hätten die Opfer bisher eine Entschädigung bekommen. Besonderen Unmut erregt, dass die Regierung den Rebellen 80 Prozent ihrer drohenden Strafen erlassen will und diese auch einen Teil ihrer Kriegsbeute behalten dürften.
Pater Gabriel kennt diesen Unmut weiter Kreise aus seiner Arbeit mit ehemaligen Kindersoldaten. Diese ist seit dem Friedensvertrag nicht leichter, sondern sogar schwieriger geworden. „Vor zehn Jahren haben wir rund 600 Jugendliche betreut, die von der FARC als Kindersoldaten missbraucht wurden, aber entkommen konnten“, erzählt der Pater. Doch die Hoffnung, dass die Rebellen mit Kriegsende ihre rund 7000 Kindersoldaten freigeben würden, habe sich nicht erfüllt. „Einen Teil der jungen Leute schickte die FARC anonym nach Hause, um keine Entschädigung zahlen zu müssen. Ein Großteil ist noch immer in der Hand der Rebellen.“
Damit schwindet die Chance, dass diese Kinder und Jugendlichen den Weg zurück in ein zivilisiertes Leben finden. Geplant waren u. a. mehrmonatige Landwirtschaftskurse für Kleintierhaltung. Dadurch sollten sich die jungen Leute eine neue Existenzgrundlage jenseits von Bürgerkrieg und Drogenhandel aufbauen – denn ansonsten finden sich schnell andere bereitwillige Arbeitgeber: Bandas Criminales, die Drogenhandel betreiben.
Vor dieser Verführung durch das schnelle Geld in der Kriminalität sind auch jene Tausenden Jugendlichen nicht gewahrt, die ständig auf der Straße leben. Die meisten davon sind Kinder der sieben Millionen Kolumbianer, die im Bürgerkrieg vertrieben wurden. Sie haben versucht, an den Randzonen der großen Städte Arbeit und ein Dach über dem Kopf zu finden.
Allein die Stiftung Hogares Claret betreut 4000 dieser „Kinder in der Straße“. Pater Gabriel Mejía wurde dafür im April dieses Jahres in Schweden mit dem „World’s Children’s Prize“geehrt, einer Auszeichnung für „Helden der Kinderrechte“. Das Preisgeld von 30.000 Euro wird in der kolumbianischen Stadt Medellín den Grundstock für ein Studentenwohnheim bilden.