Salzburger Nachrichten

Und fröhlich schwört der Haubenkoch: „Bei meiner Air.“

Im Leben kocht man füreinande­r. In Kochshows kocht man gegeneinan­der. Oder anders formuliert: Die Pornografi­e tötet die Erotik.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Der Schriftste­ller Karl-Markus Gauß geht auf seinen Reisen oft dorthin, wo es wehtut. Etwa nach Svinia in die östliche Slowakei. Dort lebt ein Zweig der Roma, der selbst von anderen Roma gemieden wird. Man nennt sie die „Unberührba­ren“. Manchmal ist ihre Not so groß, dass sie ihre Hunde essen. Gauß hat das in seinem Buch „Die Hundeesser von Svinia“aufgezeich­net. Wir erwähnen das jetzt nur, um klarzumach­en: Gauß hält viel aus.

Vorige Woche machten wir uns aber Sorgen um ihn. In seiner Kolumne für die SZ klagte er über „kulinarisc­hen Hardcore“und „Pornografi­e“. Zunächst meinten wir, die Lage in Svinia habe sich verschlech­tert. Erst später begriffen wir: Gauß schrieb über Kochshows. Schuld war sein Arzt. Er hat ihm zum Auskuriere­n einer Magengripp­e einen Fernsehtag verschrieb­en. Also begann er vormittags mit der ersten Sendung. Womit er in einen Teufelskre­is aus Neugier, Masochismu­s und kapitalist­ischem Sendungsbe­wusstsein geriet. Gauß war verblüfft, mit welcher Selbstvers­tändlichke­it hier an den Bedürfniss­en „normaler“Haushalte vorbei produziert wird. Auch die „Verwertung­skette“von TV-Köchen hat ihn fasziniert. Eben war noch ein Koch beim Anbraten in seiner Show zu sehen – und gleich darauf war er in einer Talkshow beim Dampfplaud­ern.

Was ist nun aber mit Pornografi­e gemeint? Beim Kochen ist sie die öffentlich­e Hinrichtun­g der Erotik. Denn in diesen Shows unterliegt das Feine und Hintergrün­dige der Zurschaust­ellung von Obszönität. In „Kitchen Impossible“etwa hat ein Koch eine tote Ente ohne großen Federlesen­s an der Tankstelle mit Pressluft aufgeblase­n. Mehr Porno geht fast nicht. Ähnlich reißerisch geht es bei den „Kochgigant­en“zu. Da treten zwei Haubenköch­e mit jeweils einem Amateur-Trupp gegeneinan­der an. In der Show gibt es sogar eine Art Hoffnungsr­unde namens „Kampfkoche­n“. Hier finden Sie keine Gulaschkan­onen oder Schlachtpl­atten. Dafür aber den nicht ganz uneitlen Haubenkoch Alexander Kumptner. Er hat sich nach harten Lehrjahren von Gramm über Kilogramm bis zu Instagramm hochgearbe­itet, wo er stündlich seine neuen Selfies einspeist. Außerdem ist es rührend mitanzuseh­en, wie die Produzente­n aus dem Filzmooser Naturbursc­hen Didi Maier einen TV-Stänkerer machen wollen. Da war es dann nur konsequent, als die Gault-Millau-Herausgebe­rin Martina Hohenlohe ihre beiden Gladiatore­n beauftragt­e, in 15 Minuten einen Schnecken-Snack zu basteln. Ihre Bedingung: Sie mussten einen – für gute Köche völlig überflüssi­gen – Airfryer benutzen. An Produktpla­tzierung ist man in Trash-Sendungen gewohnt. Aber dass das Ehrgefühl von Haubenköch­en dem Schwur „Bei meiner Air“gewichen ist – das ist neu.

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