Und fröhlich schwört der Haubenkoch: „Bei meiner Air.“
Im Leben kocht man füreinander. In Kochshows kocht man gegeneinander. Oder anders formuliert: Die Pornografie tötet die Erotik.
Der Schriftsteller Karl-Markus Gauß geht auf seinen Reisen oft dorthin, wo es wehtut. Etwa nach Svinia in die östliche Slowakei. Dort lebt ein Zweig der Roma, der selbst von anderen Roma gemieden wird. Man nennt sie die „Unberührbaren“. Manchmal ist ihre Not so groß, dass sie ihre Hunde essen. Gauß hat das in seinem Buch „Die Hundeesser von Svinia“aufgezeichnet. Wir erwähnen das jetzt nur, um klarzumachen: Gauß hält viel aus.
Vorige Woche machten wir uns aber Sorgen um ihn. In seiner Kolumne für die SZ klagte er über „kulinarischen Hardcore“und „Pornografie“. Zunächst meinten wir, die Lage in Svinia habe sich verschlechtert. Erst später begriffen wir: Gauß schrieb über Kochshows. Schuld war sein Arzt. Er hat ihm zum Auskurieren einer Magengrippe einen Fernsehtag verschrieben. Also begann er vormittags mit der ersten Sendung. Womit er in einen Teufelskreis aus Neugier, Masochismus und kapitalistischem Sendungsbewusstsein geriet. Gauß war verblüfft, mit welcher Selbstverständlichkeit hier an den Bedürfnissen „normaler“Haushalte vorbei produziert wird. Auch die „Verwertungskette“von TV-Köchen hat ihn fasziniert. Eben war noch ein Koch beim Anbraten in seiner Show zu sehen – und gleich darauf war er in einer Talkshow beim Dampfplaudern.
Was ist nun aber mit Pornografie gemeint? Beim Kochen ist sie die öffentliche Hinrichtung der Erotik. Denn in diesen Shows unterliegt das Feine und Hintergründige der Zurschaustellung von Obszönität. In „Kitchen Impossible“etwa hat ein Koch eine tote Ente ohne großen Federlesens an der Tankstelle mit Pressluft aufgeblasen. Mehr Porno geht fast nicht. Ähnlich reißerisch geht es bei den „Kochgiganten“zu. Da treten zwei Haubenköche mit jeweils einem Amateur-Trupp gegeneinander an. In der Show gibt es sogar eine Art Hoffnungsrunde namens „Kampfkochen“. Hier finden Sie keine Gulaschkanonen oder Schlachtplatten. Dafür aber den nicht ganz uneitlen Haubenkoch Alexander Kumptner. Er hat sich nach harten Lehrjahren von Gramm über Kilogramm bis zu Instagramm hochgearbeitet, wo er stündlich seine neuen Selfies einspeist. Außerdem ist es rührend mitanzusehen, wie die Produzenten aus dem Filzmooser Naturburschen Didi Maier einen TV-Stänkerer machen wollen. Da war es dann nur konsequent, als die Gault-Millau-Herausgeberin Martina Hohenlohe ihre beiden Gladiatoren beauftragte, in 15 Minuten einen Schnecken-Snack zu basteln. Ihre Bedingung: Sie mussten einen – für gute Köche völlig überflüssigen – Airfryer benutzen. An Produktplatzierung ist man in Trash-Sendungen gewohnt. Aber dass das Ehrgefühl von Haubenköchen dem Schwur „Bei meiner Air“gewichen ist – das ist neu.