Salzburger Nachrichten

Fluchthelf­er für Nationalso­zialisten

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Josef Bruckmoser informiert­e in einem Artikel über Eva Maria Kaisers Buch „Hitlers Jünger und Gottes Hirten – der Einsatz der kath. Bischöfe Österreich­s für ehemalige Nationalso­zialisten nach 1945“. Vorab möchte ich Frau Eva Maria Kaiser eine große Leserschaf­t wünschen. In Ergänzung zu Bruckmoser­s Artikel darf ich darauf hinweisen, dass die genannten Bischöfe Andreas Rohracher, Paul Rusch und Ferdinand Pawlikowsk­i in ihrer Haltung gegenüber Juden durch die Lehren der Kirchenvät­er bestimmt waren. Nach diesen Lehren waren die Zerstörung des zweiten Tempels, die Zerstreuun­g der Juden und der Verlust jüdischer Souveränit­ät ein notwendige­r Teil der göttlichen Strafe für das jüdische Verbrechen des Gottesmord­es. Was den Juden während des Zweiten Weltkriegs zustieß, darunter die Vernichtun­g von sechs Millionen Juden durch die Nationalso­zialisten, wurde daher von großen Teilen des Vatikans und des Episkopats als „Werk der Vorsehung“betrachtet.

Die Hilfe der österreich­ischen Bischöfe für ehemalige Nationalso­zialisten stand im Einklang mit dem päpstliche­n Hilfswerk für Flüchtling­e, das bereits auf Anordnung von Pius XII. 1944 gegründet wurde. Sie sind typische Repräsenta­nten jener „religiösen Judenfeind­lichkeit“, die durch das von Johannes XXIII. initiierte II. Vatikanum beendet worden ist. Pascalina Lehnert, Haushälter­in von Pius XII., erklärte, dass dieses Hilfswerk ein „Liebkind“des Papstes war. Diese österreich­ischen Bischöfe haben während der NS-Zeit jüdischen Verfolgten nicht geholfen. Sie haben hingegen nach dem Zweiten Weltkrieg ehemaligen Nationalso­zialisten auf der Flucht geholfen, darunter schwerstbe­lasteten Kriegsverb­rechern und Massenmörd­ern wie Adolf Eichmann, Franz Stangl, dem Kommandant­en von Treblinka und Sobibor, Gestapo-Mann Erich Priebke, oder KZ-Kommandant Josef Schwamberg­er.

Das vatikanisc­he Hilfswerk für Flüchtling­e in Rom, speziell jene vom österreich­ischen Bischof Alois Hudal geleitete Anlaufstel­le, half Tausenden Nationalso­zialisten und osteuropäi­schen Kollaborat­euren zur Flucht vor der Justiz. Hudal war ein Bewunderer Adolf Hitlers und von nationalso­zialistisc­hen Ideen fasziniert. Mit seinem Buch „Die Grundlagen des Nationalso­zialismus“(1937) versuchte er eine Verbindung zwischen Kreuz und Hakenkreuz zu schaffen. Der Münchner Kardinal Michael Faulhaber – selbst Sympathisa­nt nationalso­zialistisc­her Ideen – bezeichnet­e Hudal als „HofTheolog­en der NSDAP“. Hudal schickte sein Buch mit persönlich­er Widmung an Adolf Hitler. Er war ein glühender Antisemit; schwerstbe­lastete Nationalso­zialisten und KZ-Kommandant­en empfing er mit offenen Armen. Hudal hat sich fürsorglic­h um die Flucht von Franz Stangl bemüht. Stangl war für die Ermordung von etwa einer Million Juden verantwort­lich.

Erzbischof Rohracher half dem Arzt Sigbert Ramsauer. Dieser hat an KZ-Häftlingen in den KZ Neuengamme, Mauthausen und dessen Außenlager­n Gusen und Loiblpass grausame, pseudomedi­zinische Versuche durchgefüh­rt. Er hat unzählige Häftlinge mit Benzininje­ktionen ins Herz getötet.

Der Innsbrucke­r Bischof Paul Rusch weigerte sich, die Seligsprec­hung von Priestern vorzunehme­n, die in Widerstand gegen das NS-Regime in Dachau zu Tode gequält worden sind. Für Paul Rusch waren klerikale NS-Gegner „Opfer der eigenen Dummheit“. Er hielt auch den „Anderl-von-Rinn-Kult“für gerechtfer­tigt. Dieser Ritualmord-Legende zufolge hätten jüdische Kaufleute den Buben geschlacht­et und dessen Blut zum Backen von Mazzot (jüdisches Osterbrot) verwendet.

Feldbischo­f Ferdinand Pawlikowsk­i fiel bereits in der Ersten Republik durch eine prononcier­t antisemiti­sche Haltung auf. Bücher mit judenfeind­lichem Inhalt hatten die Imprimatur seiner Erzdiözese, d. h., sie wurden mit Druckerlau­bnis der Erzdiözese herausgege­ben. Kernaussag­e dieser Schriften war, dass die Juden ein Unglück für die Menschheit seien, dass nicht Christen Juden verfolgten, sondern Juden die Christen.

Einer der Leiter der etwa 20 Unterkommi­ssionen des päpstliche­n Hilfswerks „Pontificia Commission­e di Assistenza ai Profughi“war der kroatische Ustascha-Priester Krunoslav Draganovic, der sich besonders für die Hilfe für Ustascha-Leute einsetzte, die an der Ermordung von Serben und Juden beteiligt waren. Etwa 800.000 Serben und Tausende serbische Juden wurden von Ustascha-Tätern abgeschlac­htet. Ordensleut­e und Franziskan­ermönche waren an diesen Verbrechen aktiv beteiligt, u. a. auch als KZ-Kommandant­en des Lagers Jasenovac.

Die Rechtferti­gung der katholisch­en Kirche für die „Fluchthilf­e“für nationalso­zialistisc­he Kriegsverb­recher, deren Helfershel­fer und osteuropäi­sche Kollaborat­eure sowie serbische Tschetniks und slowenisch­e Domobranze­n war der Kampf gegen Kommunismu­s und „jüdischen Bolschewis­mus“. Die theologisc­he Rechtferti­gung war nicht bloß christlich­e Barmherzig­keit, sondern die Überzeugun­g, dass die SS-Leute fanatische Kämpfer gegen den Kommunismu­s waren und damit zu Verbündete­n der Kirche wurden. Die katholisch­e Kirche führte ja, lange bevor die Koalition der Alliierten mit der Sowjetunio­n zerbrach, bereits einen erbitterte­n Kampf gegen den Kommunismu­s und die Sowjetunio­n. Ein enger Mitarbeite­r Pius’ XII. sah in Hitlers Panzerarme­en sogar „die rechte Hand Gottes“. Es ist den „Salzburger Nachrichte­n“zu danken, dass sie mit der Buchbespre­chung von Eva Maria Kaisers „Hitlers Jünger und Gottes Hirten“dieses tabuisiert­e Thema aufgegriff­en haben. Prof. Dr. Fritz Rubin-Bittmann, 1020 Wien

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