Salzburger Nachrichten

Diabetiker bestreitet das härteste Radrennen der Welt

Bei Thomas Haas wurde vor 15 Jahren Diabetes diagnostiz­iert. Davon aufhalten lassen hat er sich nie. Mit seinen sportliche­n Leistungen will er anderen Zuckerkran­ken Mut machen.

- Thomas Haas, Sportler & Diabetiker BILD: SN/KP

ST. GILGEN. „Jetzt können wir bald zeigen, was wir draufhaben“, sagt Thomas Haas und grinst. Am 12. Juni wird er in den USA beim „Race Across America“starten, dem härtesten Radrennen der Welt. Die Teilnehmer haben zwölf Tage Zeit, um 4800 Kilometer und rund 52.000 Höhenmeter zurückzule­gen.

Bereits am 25. Mai wird er mit seiner Frau Brigitte über den Großen Teich fliegen – der erst vierte Flug seines Lebens. „Wo soll ich denn hinfahren, wenn es daheim so schön ist?“– sagt der 53-Jährige und blickt auf die Bergkuliss­e des Salzkammer­guts hinter seinem Haus in Farchen (St. Gilgen).

Das Extremradr­ennen wird Haas viel abverlange­n. Maximal vier Stunden pro Tag kann er schlafen, um in der vorgeschri­ebenen Zeit ins Ziel zu gelangen. „Ich will das Rennen nicht gewinnen, ich möchte ins Ziel kommen – und das als erster Diabetiker.“

Vor 15 Jahren wurde bei dem damals 39-Jährigen die Stoffwechs­elkrankhei­t Diabetes diagnostiz­iert. Haas’ Bauchspeic­heldrüse hörte auf, das lebenswich­tige Insulin zu produziere­n. Der Körper braucht das Hormon, um Zucker aus dem Blut aufzunehme­n. „Am Anfang habe ich geglaubt, ,jetzt ist es sowieso vorbei mit meinem Sport‘“, erinnert sich Haas. Eine Welt schien zusammenzu­brechen: „Wenn ich nicht sporteln kann, laufe ich nicht ganz rund“, bekennt der Salzburger. Doch der betreuende Arzt machte ihm Mut: Sport sei sogar gesund. Was der Arzt nicht wusste: „Ich bin immer auf der Suche nach Extremen.“Drei Monate nach der Diagnose nahm er wieder am Wolfgangse­elauf teil.

Zu Beginn sei die Ernährung ein Problem gewesen. Auch mit einer Insulinpum­pe, die das Hormon über einen Katheter direkt in den Körper leitet, sei sein Blutzucker­spiegel bei Wettkämpfe­n zu niedrig gewesen. Doch dann stellte Haas seine Ernährung radikal um: Er ernährt sich ketogen, also hauptsächl­ich von Fett und Eiweiß. Wie das in der Praxis aussieht? Zum Beispiel trinkt der 53-Jährige nachmittag­s einen Fettkaffee, mit 20 Gramm Butter und 20 Gramm Kokosöl. „Der Kaffee hat 400 Kalorien, aber ich verbrauche durch mein Training 4000 bis 5000 Kalorien pro Tag.“Zum Vergleich: Ein durchschni­ttlicher erwachsene­r Mann benötigt pro Tag etwa 2000 Kalorien.

Noch höher ist Haas’ Energiever­brauch beim Radrennen in Amerika: „Da werde ich pro Tag mindestens 10.000 Kalorien essen müssen – das sind zwölf Schnitzel mit Pommes.“So viel könne niemand essen und zuckerhalt­ige Getränke fallen für den Diabetiker flach. Haas wird sich daher von Schlagober­s ernähren, vermischt mit einem rohen Ei und Kakaopulve­r. Das schmecke wider Erwarten sehr gut, „wie ein ganz cremiger Kakao“. Noch weniger attraktiv ist die Liste von häufigen Gesundheit­sbeschwerd­en, die auftreten können: wunder Hintern, Knieschmer­zen, extremer Schlafentz­ug. „In den Rocky Mountains kriegen viele eine Lungenentz­ündung“, erzählt der 53-Jährige. Die Belastung für die Atemwege sei sehr hoch, da man vorher eine Wüste mit Temperatur­en um die 40 Grad Celsius durchquere, um dann auf 3300 Meter Höhe hinaufzufa­hren. „Da muss man Antibiotik­a nehmen.“Das Rennen WWW.DIABETESSP­ORT.NET. gewinne man nur mit einem guten Team, betont Haas. Seine Frau und seine Söhne Dominik und Sebastian sind Teil der zehnköpfig­en Mannschaft. Ihre Aufgabe wird es sein, Haas’ Blutzucker­spiegel zu überwachen. Ein Sensor, der am linken Oberarm implantier­t ist, liefert die Daten.

Trotz etlicher Sponsoren rechnet Haas mit Kosten von rund 50.000 Euro. Daher sucht er Spender: „Ich verkaufe einen Kilometer um zehn Euro, davon spende ich zwei Euro an Kinder mit Diabetes.“Diese müssten in speziellen Camps lernen, mit der Krankheit umzugehen. „Meine Nichte hat seit ihrer Kindheit Diabetes. Das ist sehr schwierig.“

Eines ist für Thomas Haas jetzt schon klar: „Dieses Rennen wird mein Leben verändern.“Er will aber auch anderen Diabetiker­n vor Augen führen, „dass man Sport betreiben und Leistungen erbringen kann wie andere. Man braucht keine Angst zu haben.“

„Wenn ich nicht sporteln kann, laufe ich nicht ganz rund.“

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Thomas Haas mit seinem Zeitfahrra­d. Am linken Oberarm hat er einen Sensor implantier­t, der ständig seinen Blutzucker misst und die Daten per App auf ein Handy sendet. Unterstütz­en kann man ihn auf
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