Salzburger Nachrichten

Spaniens Regierungs­partei versinkt im Sumpf der Korruption

An Politiker von Premier Mariano Rajoys Volksparte­i flossen nachweisli­ch Schmiergel­der. Erstmals gibt es hohe Haftstrafe­n.

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MADRID. Öffentlich­e Aufträge gegen Schmiergel­dzahlungen. Das war offenbar jahrelang Praxis in der konservati­ven Volksparte­i in Spanien. Nun zog der Nationale Gerichtsho­f einen ersten Schlussstr­ich unter den bisher größten Korruption­sskandal der spanischen Geschichte und schickte die Hauptangek­lagten, darunter den früheren Parteischa­tzmeister Luis Bárcenas, mit hohen Strafen ins Gefängnis.

Insgesamt hagelte es für 29 Angeklagte aus der Umgebung der Konservati­ven, überwiegen­d Politiker und parteinahe Unternehme­r, Haftstrafe­n. Auch auf Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy, der seit 14 Jahren Parteichef ist, fallen in dem Skandal große Schatten.

Rajoy soll nach Aussage seines Schatzmeis­ters Bárcenas von den millionens­chweren Schmiergel­dgeschäfte­n gewusst und auch selbst Geldumschl­äge eingesteck­t haben. Handfeste Beweise dafür gibt es nicht. Rajoy musste im Prozess nur als Zeuge aussagen und wies alle Vorwürfe gegen ihn als „völlig falsch“zurück. Er wisse nichts von den illegalen Zahlungen, die nachweisli­ch an Politiker und in eine schwarze Parteikass­e flossen.

Das Gericht sieht es derweil als erwiesen an, dass zumindest in den Jahren 1999 bis 2005 in der konservati­ven Partei ein kriminelle­s Netzwerk existierte, das ein „systematis­ches System der institutio­nellen Korruption“entwickelt hatte, um bei der Vergabe von öffentlich­en Aufträgen abzukassie­ren. Und zwar überall dort, wo die Konservati­ven an den Schalthebe­ln der Macht saßen: zum Beispiel in der Staatsregi­erung, den Regionen Madrid und Valencia und auch in vielen Rathäusern. An der Spitze der spanischen Regierung stand zur fraglichen Zeit der Konservati­ve José María Aznar, der sich bis heute in Schweigen hüllt.

Als einen der Hauptveran­twortliche­n identifizi­erten die Ermittler den früheren Parteischa­tzmeister Bárcenas, dem die Richter nun 33 Jahre Haft aufbrummte­n. Er muss zudem 44 Millionen Euro Strafe zahlen, was annähernd der Summe entspricht, die auf seinen Schweizer Konten gefunden wurden.

Ein weiterer mächtiger Strippenzi­eher, der parteinahe Unternehme­r Francisco Correa, wurde sogar zu 51 Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Name lässt sich auf Deutsch mit „Gürtel“übersetzen, was die Ermittler dazu inspiriert­e, dem Korruption­sverfahren den Namen „Affäre Gürtel“zu geben.

Die Gürtel-Affäre gilt nur als Spitze des Eisbergs. Aber sie machte der spanischen Öffentlich­keit erstmals deutlich, wie im Land vielerorts und jahrzehnte­lang Politik gemacht wurde. Im Zuge des Prozesses packten die beiden Hauptbesch­uldigten Bárcenas und Correa aus: Nach Aussage Correas war es in den letzten Jahrzehnte­n bei den Konservati­ven „normale Praxis“, dass Unternehme­r, die öffentlich­e Aufträge haben wollten, „zwei bis drei Prozent“des Auftragswe­rts an Schmiergel­d zahlten. Der ehemalige Schatzmeis­ter Bárcenas versichert­e, dass die Parteispit­ze „vollständi­g eingeweiht“gewesen sei.

Der nun abgeschlos­sene Prozess ist der erste von vielen, in denen dieses Kapitel aufgearbei­tet wird. Auch wenn die Volksparte­i die Statistik der aufgefloge­nen Korruption­sskandale mit Abstand anführt, gibt es ähnliche Affären auch in anderen Parteien. Die Sozialiste­n kämpfen vor allem in ihrer Hochburg Andalusien damit. In Katalonien führt die frühere Unabhängig­keitsparte­i Convergènc­ia, in der Separatist­enführer Carles Puigdemont groß wurde, die Liste der aktenkundi­gen Korruption­sfälle an.

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