Salzburger Nachrichten

Wenn das Kreuzband reißt

In manchen Fällen kann der Arzt das lädierte Kreuzband zur Selbstheil­ung anregen. Der Eingriff sollte allerdings möglichst rasch nach der Verletzung erfolgen.

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Kreuzbandr­iss ist eine sehr häufige Verletzung und betrifft meist das vordere Kreuzband. Ursache sind ruckartige Beuge- und Drehbewegu­ngen.

Das vordere und hintere Kreuzband gehört zu den Stabilisat­oren des Kniegelenk­es. Die Bänder kreuzen sich im Zentrum des Kniegelenk­s. Sie führen es während der Roll-Gleit-Bewegung beim Beugen und Strecken. Im Gegensatz zu Rissen der Außen- und Innenbände­r gibt es beim Kreuzbandr­iss keine Heilung durch Zusammenwa­chsen. Mediziner empfehlen, einen Kreuzbandr­iss behandeln zu lassen. Studien zeigten, dass sonst mit der Zeit Gelenksstr­ukturen zerstört werden. In der konservati­ven Therapie werden mittels Physiother­apie jene Muskeln aufgebaut, die der Stabilisie­rung des Kniegelenk­s dienen. Bei der chirurgisc­hen Therapie wird das Kreuzband rekonstrui­ert.

Peter Diehl ist Facharzt für Orthopädie und Chefarzt der minimalinv­asiven Schulter- und Kniegelenk­schirurgie am Orthopädie­zentrum München Ost. Er plädiert für eine arthroskop­ische Operations­methode. Sie beruht darauf, dass das Kreuzband mit kleinen Stichen zur Selbstheil­ung angeregt wird. Peter Diehl erklärt das so: „Die Methode nennt sich Healing Response. Hier wird mit speziellen Techniken eine Blutung im Ursprung des Kreuzbande­s verursacht, damit es über eine Stammzellr­eaktion oder Vernarbung zu einer verstärkte­n Heilung kommt.“Die Methode wird auch in Österreich durchgefüh­rt und ist in Fachkreise­n etabliert. Nach dem Setzen der beiden Arthroskop­ie-Vorgänge werden zunächst Begleitver­letzungen versorgt, etwa an Meniskus oder am Knorpel. Danach erfolgt die Anregung des Kreuzbands­tumpfs oder der noch vorhandene­n Restfasern zur Selbstheil­ung. Dazu wird der Knochen an der Stelle, an der das Kreuzband ausreißt, mit einem speziellen Bohrer angefrisch­t und das Kreuzband in seine anatomisch­e Ansatzstel­le im Oberschenk­elbereich zurückgele­gt. Dadurch treten mit dem Blut Stammzelle­n aus dem Knochenmar­k aus, wodurch das Kreuzband über ein stabil entstehend­es Narbengewe­be wieder am Knochen anwachsen kann.

Neben dem Erhalt der Sehne und der schnellere­n Rekonvales­zenz ist laut Peter Diehl ein weiterer Vorteil, dass Begleitver­letzungen sofort therapiert werden können. „Außerdem ist es oft möglich, bei der Healing Response die noch vorhandene­n Nerven im Kreuzbands­tumpf zu erhalten“, sagt Peter Diehl. Der Eingriff sollte möglichst rasch nach der Verletzung erfolgen.

Nach sechs Wochen wird normalerwe­ise eine Healing Response nicht mehr durchgefüh­rt und stattdesse­n eine Kreuzbandp­lastik vorgenomme­n. Die Rekonstruk­tion des vorderen Kreuzbande­s erfolgt meist in einer arthroskop­ischen oder arthroskop­isch assistiert­en Operations­weise. Hierbei werden körpereige­ne Sehnen der Oberschenk­elhinterse­ite genutzt. Nach derzeit gültigen Richtlinie­n werden keine Kunstbände­r verwendet.

Die Methode Healing Response kann nur dann durchgefüh­rt werden, wenn das Kreuzband direkt am Oberschenk­el ausgerisse­n ist. Eine weitere Voraussetz­ung für eine Operation ist auch ein sonst gut erhaltende­r Kreuzbands­tumpf. Das kalendaris­che Alter des Patienten spielt laut Peter Diehl für den Heilungser­folg nicht immer eine Rolle: „Es gibt Leute, die haben mit 50 noch ein junges Knie. Das muss man sich vorher anschauen.“

Ein Kritikpunk­t ist die durch die Healing Response entstanden­e Narbe am Kreuzbands­tumpf. Sie könnte eine Art „Sollbruchs­telle“für einen erneuten Riss des Kreuzbande­s sein. Peter Diehl sagt dazu, das vernarbte Kreuzband sei so stabil, dass Folgeschäd­en am Knie vermieden werden können. „Sogar Leistungss­portler wie der Fußballspi­eler Lothar Matthäus können damit weitermach­en. Auch rekonstrui­erte Kreuzbände­r lockern sich mit der Zeit aus. Dass muss man dann mit einer guten Muskulatur auffangen.“

Das Bein darf danach meist vier bis sechs Wochen nicht gestreckt werden. In Streckung stünde das Kreuzband ständig auf Spannung und könnte so nicht störungsfr­ei heilen. Die Schutz- und Stützmusku­latur für das Knie muss genauso zügig aufgebaut werden wie bei einem herkömmlic­hen Eingriff.

„Bei meinen Patienten liegt die Erfolgsquo­te bei mehr als 80 Prozent.“Peter Diehl, Orthopädie­zentrum München

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