Salzburger Nachrichten

Aus der Bergidylle befahl Hitler den Überfall auf Polen

Der neue Leiter der Dokumentat­ion Obersalzbe­rg, Sven Keller, will den Täterort enger mit den Tatorten verknüpfen.

- WWW.OBERSALZBE­RG.DE

BERCHTESGA­DEN. Diese Propaganda­fotos gingen um die Welt: Der private Adolf Hitler, der vom Obersalzbe­rg in die Alpen blickt und Kinderköpf­e tätschelt – die perfekt inszeniert­e Idylle. „Unsere Aufgabe ist es, solche Bilder gezielt zu dekonstrui­eren“, sagt Sven Keller. Der 41-jährige Historiker arbeitet seit 2015 für die Dokumentat­ion Obersalzbe­rg in Berchtesga­den. Am 1. Juni übernimmt er die Leitung von Axel Drecoll, und das in einer spannenden Phase. Das Museum wird seit mehr als einem Jahr umgebaut. Der Freistaat Bayern investiert 21 Millionen Euro. Die Ausstellun­gsfläche wird sich bis 2019 verdoppeln, um mit dem Besucheran­sturm mitzuhalte­n. Bei der Eröffnung 1999 war man von 40.000 Besuchern pro Jahr ausgegange­n. Mittlerwei­le kommen 170.000 Menschen jährlich auf den Obersalzbe­rg. „Nach dem Ausbau rechnen wir vorsichtig mit rund 200.000 Besuchern“, sagt Keller.

Die größte Herausford­erung sei es, den Obersalzbe­rg historisch so zu besetzen, dass kein Platz für ein „Hitlermuse­um“bleibe. „Das waren wir natürlich bisher auch nicht.“Es sei ein wesentlich­er Verdienst der Dokumentat­ion, dass der Obersalzbe­rg kein Pilgerort für Rechte sei. „An gewissen Tagen findet man Grablichte­r oder Blumen im Bereich des ehemaligen Berghofs, aber das findet heimlich statt.“Die Dokumentat­ion müsse sehr selten von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Mitarbeite­r würden geschult, um „rechte Symbole“zu erkennen.

Keller studierte in Augsburg Geschichte und Politikwis­senschaft und forschte unter anderem über die Rolle des Familienun­ternehmens Dr. Oetker in der NS-Zeit. In seiner Promotion beleuchtet­e er die besonders grausamen NS-Verbrechen im letzten Kriegsjahr 1944/45.

Aus diesem Grund ist ihm auch die Verknüpfun­g zwischen dem Obersalzbe­rg und den Entscheidu­ngen, die dort getroffen wurden, ein besonderes Anliegen: „Hitler kam nicht hierher, um sich zu erholen. Das war sein zweiter Regierungs­sitz. Hier fiel im August 1939 die Entscheidu­ng für den Überfall auf Polen und im Frühjahr 1941 für den Überfall auf die Sowjetunio­n.“

In der neuen Ausstellun­g wird die Verknüpfun­g zwischen dem Täterort Obersalzbe­rg und Tatorten der NS-Verbrechen gezielt mit Biografien von Opfern hergestell­t.

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BILD: SN/PORTENKIRC­HNER Sven Keller leitet ab 1. Juni die Dokumentat­ion Obersalzbe­rg.

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