Salzburger Nachrichten

„Postings im Netz soll man nicht nur am 1. April hinterfrag­en“

Gefährden soziale Medien die Demokratie? Eine Expertenru­nde sieht diesbezügl­iche Gefahren. Und nennt Gegenrezep­te: effiziente Regeln, mehr Aufklärung, mehr Sensibilis­ierung der Nutzer.

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Der Zeitpunkt der Podiumsdis­kussion zum Thema „Gefährden Facebook und Co. die Demokratie“passte mit Mittwochab­end perfekt: Zum einen stand am Dienstag Facebook-Chef Mark Zuckerberg im EU-Parlament Rede und Antwort zur Affäre um den Missbrauch der Daten von Millionen Nutzern seines Onlinenetz­werks. Bekanntlic­h gab Facebook Daten von bis zu 87 Millionen Usern an die dubiose britische Firma Cambridge Analytica weiter – die Daten wurden für den US-Wahlkampf von Donald Trump ausgeschla­chtet.

Zum anderen tritt heute, Freitag, die neue europäisch­e Datenschut­zGrundvero­rdnung in Kraft. Sie regelt die Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten durch Firmen.

Fünf Experten saßen im Europasaal der Universitä­t Salzburg am Podium: die Salzburger Rechtsprof­essoren Dietmar Jahnel und Reinhard Klaushofer; Gertrude Lübbe-Wolff, einst Richterin des deutschen Bundesverf­assungsger­ichts; der Salzburger Politikwis­senschafte­r Reinhard Heinisch und die in Wien lebende Software- und App-Entwickler­in Barbara Ondrisek.

Letztgenan­nte erachtete es einerseits als „gefährlich“, wie etwa USPräsiden­t Trump soziale Medien, vor allem Twitter, „manipulati­v einsetzt“. Anderersei­ts, so betonte Ondrisek, „fehlt vielen ganz allgemein schon der richtige Umgang mit den sozialen Medien. Man vertraut zu leichtfert­ig den Nachrichte­n dort. Und likt Postings, ohne nachzudenk­en.“Ihr bemerkensw­erter, wenn auch zu pauschaler Nachsatz: „Nur am 1. April, an dem man die Leute seit jeher in den April schickt, werden die Nachrichte­n kritisch hinterfrag­t – sonst nicht.“

Die Diskutante­n waren sich einig: Vor allem (rechts)populistis­che Parteien würden von den sozialen Medien profitiere­n. Politologe Hei- nisch: „Man sieht überall den Rückgang der politische­n Mitte. Vor allem Parteien mit radikalen Einstellun­gen sind in den sozialen Medien sehr aktiv.“Die rechtspopu­listische deutsche AfD inszeniere etwa regelmäßig ihren eigenen Medienauft­ritt im Netz. Stichwort AfD: Richterin Gertrude Lübbe-Wolff verwies darauf, dass es etwa beim Löschen von „offensicht­lich rechtswidr­igen Inhalten“große Probleme gibt. „Einerseits stellt sich die Frage, wo ist die Grenze zwischen offensicht­lich und nicht offensicht­lich? Anderersei­ts wurde etwa kürzlich ein AfDTweet verhetzend­en Inhalts zwar gelöscht – allerdings gleichzeit­ig auch ein darauf reagierend­er Tweet eines Satiremaga­zins.“

Besorgnise­rregend ist für die Experten, dass laut einer vom deutschen Hans-Bredow-Institut veröffentl­ichten Studie bereits 2016 20 Prozent aller 18- bis 24-Jährigen Nachrichte­n nur noch durch soziale Medien bezogen. Zudem könnten sich (junge) Leute auf Facebook gezielt „Teilmeinun­gen zusammensu­chen“und würden nach wie vor auf massenhaft „Fake News“und gut gemachte Fake-Profile hereinfall­en. Alles, was polarisier­e, verbreite sich im Netz rasch. Dazu Jurist Reinhard Klaushofer: „Durch die steigende Informatio­nsbeschaff­ung über soziale Medien wird auch der Qualitätsj­ournalismu­s und damit der kritische Journalism­us ausgedünnt.“

Für einen kritischen Umgang mit Facebook und Co. brauche es laut allen Experten mehr Aufklärung der Nutzer. Und mehr Sensibilis­ierung. Hier seien Eltern und Schulen besonders gefordert. Dass es Unternehme­n oder auch Politiker gebe, die via soziale Medien manipulier­en oder hetzen wollen – das werde man nie unterbinde­n können.

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BILD: SN/DPA Das soziale Netzwerk Facebook birgt Gefahren.

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