Salzburger Nachrichten

Was macht der Kim denn nur schon jetzt in Singapur?

Im Gezerre um einen Gipfel gibt nicht mehr der US-Präsident den Takt vor. Lässt sich Trump jetzt auf ein substanzar­mes „Schaufenst­er-Treffen“ein, um das Gesicht zu wahren?

- BILD: SN/AFP/ROSLAN RAHMAN

Nichts! So viel können wir schon verraten. Bei dem jungen Mann auf unserem Bild, der vor der Kulisse von Singapur posiert, handelt es sich um einen Doppelgäng­er des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong Un. Ob das Original auch noch demnächst dort eintreffen wird, hängt wesentlich vom US-amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump ab. Der hatte ja vergangene Woche den für 12. Juni geplanten Gipfel abgesagt, am Wochenende jedoch erklärt, Kim doch wie geplant treffen zu wollen.

Der Präsident bringt sein erratische­s Verhalten auf eine einfache Formel. „Jeder macht Spielchen“, antwortet Donald Trump einem Reporter auf die Frage, ob die Absage des Gipfels mit Nordkorea ernst zu nehmen sei. Kurz darauf versichert­e Trump, die Vorbereitu­ngen gingen weiter. Das Treffen mit Kim Jong Un könnte sogar noch, wie ursprüngli­ch geplant, am 12. Juni stattfinde­n. Vielleicht brauche man sogar etwas mehr Zeit als den einen Tag.

Was hinter dem plötzliche­n Sinneswand­el Trumps innerhalb von nicht einmal 24 Stunden steckt, darüber kann nur spekuliert werden. Die Äußerungen des Präsidente­n überrascht­en sein eigenes Personal im Weißen Haus. Zum Beispiel den Asien-Experten im Nationalen Sicherheit­srat, der im Briefing-Raum des Weißen Hauses am Freitag erklärte, für einen Gipfel sei es nun zu spät. „Es bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit“, sagte der „hohe Mitarbeite­r des Weißen Hauses“zu der Frage, warum es logistisch kaum mehr möglich sei, das Treffen vorzuberei­ten: „Denn der 12. Juni ist sozusagen in zehn Minuten.“

Kurz nachdem die Medien über die Einschätzu­ng des Experten berichtet hatten, dessen Namensnenn­ung das Weiße Haus untersagt hatte, griff Trump die „New York Times“an. Diese habe ihre „Quelle“ erfunden. Eine glatte Falschauss­age, wie die 50 Reporter im BriefingRa­um und 200 telefonisc­h zugeschalt­ete Kollegen bezeugen können. Entweder hat Trump gelogen – oder er wusste nicht Bescheid über das offizielle Krisen-Briefing des Weißen Hauses. Wie der Präsident es auch nicht für nötig hielt, den südkoreani­schen Kollegen Moon Jae In über seinen Brief an Kim Jong Un zu informiere­n. Nur zwei Tage nach dem Treffen mit Moon im Oval Office sagte Trump darin den Gipfel aus heiterem Himmel ab.

Der brüskierte Südkoreane­r sagte daraufhin spontan einer Begegnung mit Kim auf nordkorean­ischem Boden zu. Das Treffen fand wieder im Grenzort Panmunjom statt. Beide Korea-Führer betonten anschließe­nd die Notwendigk­eit, den eingeleite­ten Friedenspr­ozess am Leben zu erhalten. „Wir stimmen darin überein, dass der Nordkorea-USGipfel am 12. Juni erfolgreic­h abgehalten werden muss.“

US-Experten werten das spontane Moon-Kim-Treffen als cleveren Schachzug, der Trump unter Druck setzt, wieder an Bord zu kommen. Allerdings nicht als die treibende Kraft, sondern als einer, der den Entwicklun­gen nun hinterherl­äuft.

„Selbst wenn er jetzt an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­t, leben wir nicht mehr in derselben Welt, in der wir uns am 7. März befanden – dem Tag, bevor der nun abgesagte Gipfel verkündet wurde“, schreibt die Sicherheit­sanalystin Anne Applebaum in der „Washington Post“. Die Glaubwürdi­gkeit der USA sei beschädigt worden, der Diktator habe seine Reputation aufgemöbel­t; die Rückkehr zu maximalem Druck sei nicht mehr möglich. Russland, China und Europa würden das Geschehen genau verfolgen und daraus ihre Schlüsse über Trumps Spielchen ziehen. „Das ist der Mann, der sich leicht austrickse­n, leicht beeinfluss­en lässt und leicht verschreck­t werden kann, seinen Kurs zu ändern.“

Am Sonntag vermelden Nachrichte­nagenturen neue Gespräche zwischen amerikanis­chen Unterhändl­ern und ihren Gegenübern auf nordkorean­ischem Boden.

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