Salzburger Nachrichten

Josef Cap und die drei Fehler der SPÖ

Der ehemalige Polit-Jungstar legt seine Erinnerung­en vor.

- Josef Cap: „Kein Blatt vor dem Mund“. 224 Seiten, Verlag Kremayr & Scheriau.

WIEN. Wer Josef Cap als Kampfredne­r im Parlament in Erinnerung hat, wird die Erinnerung­en, die der 66-Jährige nun in Buchform vorgelegt hat, mit Erstaunen lesen. Weitgehend emotionslo­s schildert der langjährig­e SPÖ-Spitzenpol­itiker die Stationen seiner Karriere. Selbst Karl-Heinz Grasser und Wolfgang Schüssel – Caps liebste Angriffszi­ele in seiner aktiven Zeit – kommen in dem Buch fast ungeschore­n davon. Ein Fall von Altersmild­e?

Bei der Wahl im Vorjahr war Cap am Wiedereinz­ug in den Nationalra­t gescheiter­t, da die SPÖ ihrem früheren Zentralsek­retär und Klubobmann keinen sicheren Listenplat­z mehr zugestande­n hatte. Kritik an seiner Partei übt Cap aber nur zwischen den Zeilen. Dabei nennt er drei Fehler, die für den derzeitige­n prekären Zustand seiner Partei verantwort­lich seien. Erstens: dass sie zu Be- ginn der 80er-Jahre die sich gerade formierend­e Grün-Bewegung nicht in die SPÖ integriert, sondern das Entstehen einer neuen linken Partei geduldet habe. Zweitens: dass sie sich – vor allem zur Zeit von Viktor Klima – zu stark vom wirtschaft­sfreundlic­hen Kurs Tony Blairs und Gerhard Schröders habe beeinfluss­en lassen. Und drittens: dass sie die Brisanz des Ausländert­hemas unterschät­zt und keine Strategie ge- gen die Massenmigr­ation entwickelt habe. In diesem Zusammenha­ng bezeichnet es Cap als Fehler des damaligen SPÖ-Kanzlers Werner Faymann, den ungarische­n Premier Viktor Orbán zu attackiere­n, statt mit ihm ein Abkommen über Grenzkontr­ollen zu schließen.

Dem jetzigen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz attestiert Cap, sich geschickt, aber fälschlich­erweise als „Retter des Abendlande­s“vor der Völkerwand­erung inszeniert zu haben. Als Politiker mit mehr als 40 Jahren Berufserfa­hrung prophezeit er dem ÖVP-Kanzler, dieser werde bald dasselbe Problem haben wie er, Cap, bei seinem triumphale­n Einzug in den Nationalra­t mittels Vorzugssti­mmenkampag­ne im Jahr 1983: als Projektion­sfläche für mannigfach­e Erwartunge­n zu dienen, die aber kaum zu erfüllen seien, was zwangsläuf­ig Enttäuschu­ngen schaffe.

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Wortgewalt­ig: Josef Cap. BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER

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