Erdo˘gan darf nicht reden, aber die Opposition schon
Vor der Wahl in der Türkei am 24. Juni wird in Deutschland wieder heftig über Auftritte türkischer Politiker diskutiert.
Morgen, Dienstag, wird der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu in Solingen (NordrheinWestfalen) auftreten. Dies hat zu heftigen Diskussionen über Auftritte türkischer Politiker in Deutschland vor der wichtigen Türkei-Wahl geführt. Im vorigen Jahr hatte es massive Konflikte gegeben, weil türkische Politiker vor dem Verfassungsreferendum Auftritte in Deutschland planten. Einige Kommunen verboten Veranstaltungen mit Hinweisen auf Sicherheitsbedenken. Staatschef Recep Tayyip Erdoğan durfte nicht einmal eine Videobotschaft senden. Daraufhin sanken die deutsch-türkischen Beziehungen auf einen Nullpunkt.
Es gibt Befürchtungen, dass Çavuşoğlu seinen Auftritt für Wahlkampfzwecke missbrauchen könnte. Im Grunde kommt der Außenminister zum 25. Jahrestag des fremdenfeindlichen Anschlags von Solingen. Damals starben fünf Türken in einem Haus, das von vier jungen Deutschen angezündet worden war. Weitere 14 Menschen wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich wenige Monate nach einem Brandanschlag in Mölln (Schleswig-Holstein), wo drei Türken starben.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) forderte: „Das Gedenken an die Toten von Solingen darf nicht für Wahlkampfzwecke missbraucht werden.“An diesem Tag würden Deutsche und Türken gemeinsam trauern. Sicherheitshalber aber vermeidet Laschet einen gemeinsamen öffentlichen Auftritt mit Çavuşoğlu, den er stattdessen in seine Staatskanzlei eingeladen hat. Die Stadt Solingen möchte die Rede Çavuşoğlus vorab als Broschüre verbreiten.
Deutschland ist für Erdoğan von großer Bedeutung bei der vorgezogenen Neuwahl am 24. Juni. Hier leben rund 1,4 Millionen stimmberechtigte Türken. Die gelten als große Erdoğan-Fans. Beim Referendum 2017 erzielte Erdoğan hier eine Zustimmung von fast 60%, während es im Gesamtergebnis nur 51% waren. Auch bei der Parlamentswahl 2015 kam Erdoğans Partei AKP in Deutschland auf 60%.
Erbost zeigten sich hohe AKPPolitiker darüber, dass Vertreter der Regierungspartei AKP keinen Wahlkampf machen dürfen, Vertreter der Oppositionsparteien aber sehr wohl. Der AKP-Politiker Hayati Yazıcı warf Deutschland vor, „in Sachen Demokratie ein Defizit zu haben.“Der CDU-Politiker Norbert Röttgen wies darauf hin, dass ausländische Politiker kein Recht auf Wahlkampf in Deutschland hätten. Angesichts des Ausnahmezustandes in der Türkei, der eingeschränkten Pressefreiheit sowie der Inhaftierung von Journalisten und Oppositionellen sei Yazıcıs Vorwurf „schwer erträglich“. Cem Özdemir (Grüne) sprach von „Schmierentheater“und rügte, dass in der Türkei „von einem fairen Wahlkampf überhaupt keine Rede sein kann“.
Seit 2017 ist in Deutschland der „Auftritt ausländischer Amtsträger“aus Nicht-EU-Staaten verboten. Nicht betroffen von dieser Regelung sind Politiker von Oppositionsparteien, weil diese über kein Regierungsamt verfügen. Besonders stört die AKP, dass sechs Abgeordnete der Kurdenpartei HDP in Deutschland auf Tour sind. Die Oppositionspartei CHP erhält Unterstützung durch die deutsche SPD.