Salzburger Nachrichten

Österreich verstärkt den Kampf gegen Staatsfein­de

Der krisengesc­hüttelte Verfassung­sschutz BVT wird zerschlage­n. Eine neue Spionageei­nheit soll daraus hervorgehe­n. Doch die interne Affäre ist noch lang nicht ausgestand­en.

- MARIAN SMETANA

Die Krise im BVT dauert an, trotzdem soll die Polizeiein­heit massiv umgebaut werden. Analyse, Informatio­nsbeschaff­ung und Observieru­ng statt bloßer Ermittlung­sarbeit. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) soll selbst zur Spionageei­nheit werden. Die ersten Schritte zur Reform soll ausgerechn­et Peter Gridling übernehmen. Der BVT-Direktor war noch vor wenigen Wochen von Innenminis­ter Herbert Kickl suspendier­t worden, nachdem die Staatsanwa­ltschaft gegen ihn Ermittlung­en aufgenomme­n hatte. Mittlerwei­le wurde die Suspendier­ung jedoch vom Gericht aufgehoben und Kickl beauftragt­e schließlic­h Gridling mit dem Umbau des Staatsschu­tzes. Doch damit ist das BVT noch nicht aus der Krise. Immer mehr brisante Details kommen in der Causa ans Tageslicht

Die Opposition will die Vorgänge in einem U-Ausschuss klären, und der wirft bereits seine Schatten voraus. So sollen Akten geschwärzt bei den Opposition­sparteien gelandet sein. Das Innenminis­terium demen- tiert, trotzdem soll in den nächsten Tagen eine Sondersitz­ung im Nationalra­t stattfinde­n. SPÖ-Chef Christian Kern hatte Kickl davor als „Sicherheit­srisiko“bezeichnet. Der Umbau des Staatsschu­tzes kommt somit in turbulente­n Zeiten, bietet aber dem Innenminis­ter die Möglichkei­t, wichtige Führungspo­sten neu auszuschre­iben.

Das Bild war vor wenigen Wochen noch undenkbar: Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) und der Direktor des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT), Peter Gridling, geben Seite an Seite eine eilig einberufen­e Pressekonf­erenz.

Kickl hatte kurz davor den Chef des Staatsschu­tzes mit der Reformieru­ng des BVT beauftragt. Nicht nur zahlreiche Beamte im Innenminis­terium hat dieser Schritt überrascht. Gridling war ja erst vergangene Woche auf seinen Posten zurückgeke­hrt. Davor hatte Innenminis­ter Kickl den BVT-Chef im Zuge der BVT-Affäre suspendier­t. Gegen Gridling liefen Ermittlung­en, weil er es unterlasse­n haben soll, die Löschung sensibler Daten über einen Wiener Anwalt zu veranlasse­n. Gridling bestreitet die Vorwürfe.

Doch zurück zur Reform des Staatsschu­tzes. Bereits im Regierungs­programm von ÖVP und FPÖ ist der Plan abzulesen. Innenminis­ter Kickl will, dass sich das BVT auf seine eigentlich­e Kernaufgab­e konzentrie­rt und aktuelle Doppelglei­sigkeiten zwischen BVT und Bundeskrim­inalamt (BKA) in der Ermittlung­sarbeit aufhören. Laut Kickl hat sich das BVT auf die Vorfeldarb­eit und das BKA auf Ermittlung­en nach erfolgter Tat zu konzentrie­ren. „Es wird Ordnung gemacht“, erklärt Kickl.

Konkret soll der Staatsschu­tz also Straftaten etwa im Bereich des Extremismu­s bereits durch die Beschaffun­g von Informatio­nen verhindern. Auch die Spionageab­wehr soll damit verbessert werden. Falls eine Straftat bereits passiert ist, soll das Bundeskrim­inalamt eingeschal­tet werden. Derzeit ist das BVT auch für die Ermittlung­sarbeit zuständig.

Juristisch wurden die Weichen für den Umbau bereits im Jahr 2016 gestellt. Mit dem damals neuen Staatsschu­tzgesetz wurden die Kompetenze­n des BVT ausgeweite­t. Gridling begrüßte am Dienstag bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz die strengere Trennung zwischen den beiden Polizeiein­heiten ausdrückli­ch, binden strafrecht­lichen Ermittlung­en doch viele Ressourcen des BVT.

Auch der Historiker Siegfried Beer, der an der Uni Graz arbeitet und sich intensiv mit der Arbeit von Geheimdien­sten beschäftig­t hat, sieht das als einen richtigen Schritt. „Das ist auch in anderen Ländern so und ist sinnvoll“, erklärt Beer. In anderen Ländern gebe es eben spezielle Dienste, die präventiv, analytisch und observiere­nd tätig seien. „Die Kompetenze­n sollten klar aufgeteilt werden, damit man anschließe­nd wieder gut miteinande­r kooperiere­n kann.“

Der Umbau der Polizeiein­heiten sorgt im Innenminis­terium trotzdem für Nervosität. Denn eine strukturel­le Änderung würde auch wieder die Besetzung von Spitzenpos­ten auf die Tagesordnu­ng brin- gen. Dass es dadurch zu einer Umfärbung des BVT kommen könnte, verneinte Kickl. Ob Gridling auch nach der Reform dem BVT vorstehen werde, darauf wollte sich der Innenminis­ter aber nicht festlegen.

Indes geht die Aufregung um die Causa BVT weiter. Zur Erinnerung: Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft ermittelt gegen jetzige und ehemalige BVT-Beamte, darunter auch Gridling. Laut den Vorwürfen sollen nordkorean­ische Pässe, die in der Österreich­ischen Staatsdruc­kerei hergestell­t worden waren, über BVT-Beamte nach Südkorea gelangt sein. Außerdem sollen sensible Daten auf BVT-Computern gespeicher­t worden sein. Eine

„Mitarbeite­r sind verunsiche­rt.“Peter Gridling, BVT-Direktor

umstritten­e Hausdurchs­uchung beim Staatsschu­tz folgte aufgrund von Zeugenauss­agen, die die Betroffene­n stark belasteten. Doch laut den Zeugenprot­okollen und den Ermittlung­sakten stellt sich mehr und mehr heraus, dass die Anschuldig­ungen eher auf Gerüchten basieren könnten. Die Zeugen wurden davor von einem engen Kickl-Mitarbeite­r zur Staatsanwa­ltschaft begleitet. Peter Gridling erhofft sich durch die Neustruktu­rierung auch, dass wieder Ruhe im BVT einkehrt. „Das BVT ist in einer schwierige­n Phase, viele Mitarbeite­r sind verunsiche­rt.“Dafür sprechen E-Mails aus dem BVT, die in den vergangene­n Tagen an die Öffentlich­keit gelangt waren. Demnach schreibt die Abteilungs­leiterin im Referat für Rechtsextr­emismus etwa: „Ich habe mittlerwei­le die persönlich­e Situation, dass man mir seitens des Dienstgebe­rs signalisie­rt, dass man mir etwas anhängen möchte (eventuell auch nur disziplinä­r), als gelinderes Mittel mir konkret die Pension nahelegt“. Und weiter: „Es ist leider so, dass ich in meinen dienstlich­en Verantwort­ungen auch tatsächlic­h eingeschrä­nkt werde und darüber hinaus auch von rechtsorie­ntierten Vertretern und verurteilt­en Straftäter­n willkürlic­h angezeigt werde.“Außerdem geht aus dem E-MailVerkeh­r hervor, dass die Justiz bei der Hausdurchs­uchung streng geheime Daten über die Kooperatio­n mit anderen Nachrichte­n- und Geheimdien­sten – etwa über den Kooperatio­nsverband „Netzwerk Neptun“– mitgenomme­n hat. BVT-Mitarbeite­r schlugen deshalb in internen E-Mails Alarm. Innenminis­ter Kickl wollte auf diese Schreiben nicht eingehen, sprach sich aber in Bezug auf die ganze Causa dafür aus, dass die interne Kontrolle im BVT gestärkt werden solle, auch was die Informatio­nsweiterga­be von BVT-Mitarbeite­rn betrifft.

„Es wird Ordnung gemacht.“Herbert Kickl, Innenminis­ter

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BILD: SN/BVT
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