Österreich verstärkt den Kampf gegen Staatsfeinde
Der krisengeschüttelte Verfassungsschutz BVT wird zerschlagen. Eine neue Spionageeinheit soll daraus hervorgehen. Doch die interne Affäre ist noch lang nicht ausgestanden.
Die Krise im BVT dauert an, trotzdem soll die Polizeieinheit massiv umgebaut werden. Analyse, Informationsbeschaffung und Observierung statt bloßer Ermittlungsarbeit. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll selbst zur Spionageeinheit werden. Die ersten Schritte zur Reform soll ausgerechnet Peter Gridling übernehmen. Der BVT-Direktor war noch vor wenigen Wochen von Innenminister Herbert Kickl suspendiert worden, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen ihn Ermittlungen aufgenommen hatte. Mittlerweile wurde die Suspendierung jedoch vom Gericht aufgehoben und Kickl beauftragte schließlich Gridling mit dem Umbau des Staatsschutzes. Doch damit ist das BVT noch nicht aus der Krise. Immer mehr brisante Details kommen in der Causa ans Tageslicht
Die Opposition will die Vorgänge in einem U-Ausschuss klären, und der wirft bereits seine Schatten voraus. So sollen Akten geschwärzt bei den Oppositionsparteien gelandet sein. Das Innenministerium demen- tiert, trotzdem soll in den nächsten Tagen eine Sondersitzung im Nationalrat stattfinden. SPÖ-Chef Christian Kern hatte Kickl davor als „Sicherheitsrisiko“bezeichnet. Der Umbau des Staatsschutzes kommt somit in turbulenten Zeiten, bietet aber dem Innenminister die Möglichkeit, wichtige Führungsposten neu auszuschreiben.
Das Bild war vor wenigen Wochen noch undenkbar: Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, geben Seite an Seite eine eilig einberufene Pressekonferenz.
Kickl hatte kurz davor den Chef des Staatsschutzes mit der Reformierung des BVT beauftragt. Nicht nur zahlreiche Beamte im Innenministerium hat dieser Schritt überrascht. Gridling war ja erst vergangene Woche auf seinen Posten zurückgekehrt. Davor hatte Innenminister Kickl den BVT-Chef im Zuge der BVT-Affäre suspendiert. Gegen Gridling liefen Ermittlungen, weil er es unterlassen haben soll, die Löschung sensibler Daten über einen Wiener Anwalt zu veranlassen. Gridling bestreitet die Vorwürfe.
Doch zurück zur Reform des Staatsschutzes. Bereits im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ ist der Plan abzulesen. Innenminister Kickl will, dass sich das BVT auf seine eigentliche Kernaufgabe konzentriert und aktuelle Doppelgleisigkeiten zwischen BVT und Bundeskriminalamt (BKA) in der Ermittlungsarbeit aufhören. Laut Kickl hat sich das BVT auf die Vorfeldarbeit und das BKA auf Ermittlungen nach erfolgter Tat zu konzentrieren. „Es wird Ordnung gemacht“, erklärt Kickl.
Konkret soll der Staatsschutz also Straftaten etwa im Bereich des Extremismus bereits durch die Beschaffung von Informationen verhindern. Auch die Spionageabwehr soll damit verbessert werden. Falls eine Straftat bereits passiert ist, soll das Bundeskriminalamt eingeschaltet werden. Derzeit ist das BVT auch für die Ermittlungsarbeit zuständig.
Juristisch wurden die Weichen für den Umbau bereits im Jahr 2016 gestellt. Mit dem damals neuen Staatsschutzgesetz wurden die Kompetenzen des BVT ausgeweitet. Gridling begrüßte am Dienstag bei der gemeinsamen Pressekonferenz die strengere Trennung zwischen den beiden Polizeieinheiten ausdrücklich, binden strafrechtlichen Ermittlungen doch viele Ressourcen des BVT.
Auch der Historiker Siegfried Beer, der an der Uni Graz arbeitet und sich intensiv mit der Arbeit von Geheimdiensten beschäftigt hat, sieht das als einen richtigen Schritt. „Das ist auch in anderen Ländern so und ist sinnvoll“, erklärt Beer. In anderen Ländern gebe es eben spezielle Dienste, die präventiv, analytisch und observierend tätig seien. „Die Kompetenzen sollten klar aufgeteilt werden, damit man anschließend wieder gut miteinander kooperieren kann.“
Der Umbau der Polizeieinheiten sorgt im Innenministerium trotzdem für Nervosität. Denn eine strukturelle Änderung würde auch wieder die Besetzung von Spitzenposten auf die Tagesordnung brin- gen. Dass es dadurch zu einer Umfärbung des BVT kommen könnte, verneinte Kickl. Ob Gridling auch nach der Reform dem BVT vorstehen werde, darauf wollte sich der Innenminister aber nicht festlegen.
Indes geht die Aufregung um die Causa BVT weiter. Zur Erinnerung: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen jetzige und ehemalige BVT-Beamte, darunter auch Gridling. Laut den Vorwürfen sollen nordkoreanische Pässe, die in der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellt worden waren, über BVT-Beamte nach Südkorea gelangt sein. Außerdem sollen sensible Daten auf BVT-Computern gespeichert worden sein. Eine
„Mitarbeiter sind verunsichert.“Peter Gridling, BVT-Direktor
umstrittene Hausdurchsuchung beim Staatsschutz folgte aufgrund von Zeugenaussagen, die die Betroffenen stark belasteten. Doch laut den Zeugenprotokollen und den Ermittlungsakten stellt sich mehr und mehr heraus, dass die Anschuldigungen eher auf Gerüchten basieren könnten. Die Zeugen wurden davor von einem engen Kickl-Mitarbeiter zur Staatsanwaltschaft begleitet. Peter Gridling erhofft sich durch die Neustrukturierung auch, dass wieder Ruhe im BVT einkehrt. „Das BVT ist in einer schwierigen Phase, viele Mitarbeiter sind verunsichert.“Dafür sprechen E-Mails aus dem BVT, die in den vergangenen Tagen an die Öffentlichkeit gelangt waren. Demnach schreibt die Abteilungsleiterin im Referat für Rechtsextremismus etwa: „Ich habe mittlerweile die persönliche Situation, dass man mir seitens des Dienstgebers signalisiert, dass man mir etwas anhängen möchte (eventuell auch nur disziplinär), als gelinderes Mittel mir konkret die Pension nahelegt“. Und weiter: „Es ist leider so, dass ich in meinen dienstlichen Verantwortungen auch tatsächlich eingeschränkt werde und darüber hinaus auch von rechtsorientierten Vertretern und verurteilten Straftätern willkürlich angezeigt werde.“Außerdem geht aus dem E-MailVerkehr hervor, dass die Justiz bei der Hausdurchsuchung streng geheime Daten über die Kooperation mit anderen Nachrichten- und Geheimdiensten – etwa über den Kooperationsverband „Netzwerk Neptun“– mitgenommen hat. BVT-Mitarbeiter schlugen deshalb in internen E-Mails Alarm. Innenminister Kickl wollte auf diese Schreiben nicht eingehen, sprach sich aber in Bezug auf die ganze Causa dafür aus, dass die interne Kontrolle im BVT gestärkt werden solle, auch was die Informationsweitergabe von BVT-Mitarbeitern betrifft.
„Es wird Ordnung gemacht.“Herbert Kickl, Innenminister