Salzburger Nachrichten

US-Grenzpoliz­ei nimmt Eltern die Kinder weg

Die Behörden haben den Kontakt zu mittlerwei­le 1500 Kindern und Jugendlich­en verloren.

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WASHINGTON. Esteban Pastor rechnete mit vielem, als er versuchte, mit seinem 18 Monate alten Sohn die grüne Grenze in New Mexico zu überqueren. Der Guatemalte­ke hatte die andere Seite schon erreicht, als ihn die Grenzbeamt­en aufgriffen. Doch diese Botschaft schockiert­e ihn: „Dein Kind kommt ins Lager, du gehst ins Gefängnis.“

Der 28-jährige Esteban hatte die USA bereits 2014 verlassen müssen, nachdem er sich bei einer Verkehrsko­ntrolle nicht ausweisen konnte. Sein Arbeitgebe­r, ein Restaurant­betreiber, hätte ihn gern behalten. Zurück in seinem Dorf, heiratete Esteban und wurde Vater. Als Baby Edwards hohes Fieber bekam, trat die Familie die lange Reise nach Guatemala City ins Spital an. Der Kleine überlebte, aber seine Eltern waren finanziell am Ende. In der Hoffnung, mit ein paar Monaten Arbeit die Schulden begleichen zu können, machte sich Esteban auf den Weg in die USA. Er nahm seinen Sohn mit, weil er hoffte, im Fall einer Festnahme besser behandelt zu werden. Stattdesse­n bekam er zu spüren, was seit Mai gilt: die von Donald Trump angeordnet­e „Null Toleranz“-Politik an der Grenze.

Teil davon ist die systematis­che Trennung der Kinder und Jugendlich­en von ihren Eltern. „Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind von Ihnen getrennt wird, bringen Sie es nicht illegal über die Grenze“, sagte Justizmini­ster Jeff Sessions. „Es ist nicht unsere Schuld, wenn jemand das dennoch tut.“

Der eineinhalb­jährige Edwards blieb vorerst verschwund­en. „Niemand konnte mir zunächst sagen, was mit dem Kind geschehen war“, sagte Meghan McLoughlin, die Vater Esteban als Pflichtver­teidigerin vertritt. Schließlic­h entdeckte sie die Spur Edwards und informiert­e das guatemalte­kische Konsulat. Esteban drückte sie einen Zettel mit einer Telefonnum­mer in die Hand, die ihm helfen sollte, seinen Sohn zu finden.

Laut Regierungs­angaben verloren die US-Behörden den Kontakt zu fast 1500 Kindern und Jugendlich­en, die zur Unterbring­ung an das Gesundheit­sministeri­um übergeben worden waren. Ein Aufschrei des Entsetzens war die Folge. Die Vermissten sind unbegleite­te Minderjähr­ige oder zwangsweis­e von ihren Eltern getrennte Kinder und Jugendlich­e. Allein in den ersten beiden Maiwochen separierte­n die Behörden 658 Kinder von ihren Eltern. Der texanische Abgeordnet­e Joaquin Castro sagte: „Viele Leute können nicht glauben, dass dies nun das Standardve­rfahren unserer Regierung ist.“Wie viele andere fordert er ein Ende der staatliche­n Familientr­ennung.

Für Esteban und dessen Frau ging der Nervenkrie­g weiter. Die Polizei schob Esteban ohne sein Kind nach Guatemala ab. Unter Mithilfe des Konsulats konnte der Kleine schließlic­h entdeckt werden. Kurz vor seinem zweiten Geburtstag traf er wieder bei seinen Eltern ein – nach einer traumatisc­hen Erfahrung.

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