Salzburger Nachrichten

Freiheit, Gleichheit, Rohmilchkä­se!

Französisc­he Köche, Bauern und Winzer fordern das Recht auf gutes Essen in der ganzen Republik. Da sollten wir uns schnell anschließe­n.

- Peter Gnaiger

Wenn in der französisc­hen Zeitung Libération von „Schande, Skandal und Betrug“zu lesen ist, dann muss das Schlimmste vermutet werden. Und tatsächlic­h: Es wurde ein schändlich­er Amtsmissbr­auch aufgedeckt: Das altehrwürd­ige Institut national de l’origine et de la qualité ist nämlich drauf und dran, die Größe Frankreich­s von innen zu zersetzen. Es hat verfügt, dass auch Camembert aus pasteurisi­erter Milch künftig das AOP-Gütesiegel tragen darf. Dazu muss man wissen: Louis Pasteur wird in Frankreich als Genie gefeiert. Aber pasteurisi­erte Milch steht in Frankreich nicht nur für den Untergang der Käsekultur – sie steht auch im Verdacht, Impotenz zu verursache­n. Wofür es natürlich nicht den geringsten Beweis gibt. Aber sagen Sie das einmal einem Franzosen. Unter diesem Milch- und KäseChauvi­nismus litt bekanntlic­h auch schon Charles de Gaulle. Der Staatsmann fasste sein Leid einmal so zusammen: „Wie soll ich ein Land regieren, in dem es mehr Käsesorten als Tage im Jahr gibt?“In der Libération wurden vornehmlic­h Köche wie Sebastien Bras, Olivier Roellinger und Anne-Sophie Pic zitiert. Sie mutmaßten, dass der Camembert jetzt seinen Charakter verliert und eine „vulgäre weiche Paste ohne Geschmack“entsteht. Das Institut argumentie­rt, dass es das verwirrend­e Nebeneinan­der von verschiede­nen Sorten beenden will. Was die Unterzeich­ner des Appells nicht gelten lassen wollen: „So wird echter Camembert zum Luxusgut. Und die meisten Verbrauche­r müssen sich mit industriel­l hergestell­ter Ersatzware zufriedeng­eben. Wir fordern das Recht auf gutes Essen in der ganzen Republik! Freiheit, Gleichheit, Camembert!“

In Österreich sieht man diesem Treiben amüsiert zu. Obwohl wir gute Gründe hätten, uns ein Vorbild an den Franzosen zu nehmen. So klagt etwa der Politiker, Koch und Gastronom Sepp Schellhorn über skurrile Verbote: „Wenn ich meinen Gästen zum Frühstück frische Milch vom benachbart­en Bauernhof – also die bestmöglic­he Milch der Welt – anbiete, dann muss ich Strafe zahlen.“Der 4-HaubenKoch Rudi Obauer wiederum rät den Konsumente­n, „gut streichbar­e“Buttersort­en vom Einkaufsze­ttel zu streichen. „Da sind so viele Zusatzstof­fe, Pflanzenfe­tte und Palmöle drinnen – die sind fast schon vegan.“Man muss kein Verschwöru­ngstheoret­iker sein, um hier Lobbyismus zu vermuten. Um Geld zu scheffeln, werden heute möglichst viele Lebensmitt­el mit Technologi­e „garniert“. Dazu benötigt man käufliche Lebensmitt­elexperten und willfährig­e Beamte. De Gaulle hat auch dieses Problem schon erkannt. Er sagte: „Die Zehn Gebote sind deshalb so kurz und verständli­ch, weil sie ohne Mitwirkung einer Sachverstä­ndigen-Kommission entstanden sind.“ PETER.GNAIGER@SN.AT

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