20 Jahre für den Euro
Die Europäische Zentralbank entstand am 1. Juni 1998. Die Aufgabe, den Euro stabil zu halten, meisterte sie bravourös. Aber an ihrer Geldpolitik nach der Finanzkrise scheiden sich die Geister.
Zwei Jahrzehnte mit vielen Höhen und Tiefen
WIEN. Der 1. Jänner 1999 war ein historisches Datum in Europa, es markiert die Einführung einer gemeinsamen Währung von damals elf EUMitgliedsstaaten. Neben Österreich gaben Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien ihre nationalen Währungen zugunsten des Euro auf und führten ihn drei Jahre später auch als Bargeld ein.
Die institutionelle Basis dafür wurde sieben Monate vorher gelegt, mit der Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) am 1. Juni. Ihre Geschichte begann mit einem politischen Kuhhandel. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac bestand auf einem Landsmann an der EZB-Spitze, nachdem feststand, dass sie in Frankfurt sitzen würde.
Die übrigen Euromitglieder hatten sich allerdings auf Wim Duisenberg geeinigt. Um den Niederländer durchzubringen, nötigte man ihm eine Erklärung ab, dass er im Hinblick auf sein Alter nicht die volle Periode von acht Jahren amtieren werde. Die musste er vor den Staatsund Regierungschefs verlesen. Wie sehr die rechtlich unabhängig gestellte EZB stets im Fokus der Politik stand, sollte sich im Lauf der nächsten 20 Jahre immer wieder zeigen.
Auch der 1. Jänner 2001 war ein historisches Datum, Griechenland trat der Währungsunion bei – unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, wie sich Jahre später herausstellen sollte. Griechenland sollte die Eurozone und mit ihr die EZB ein Jahrzehnt später auch auf ihre bisher größte Bewährungsprobe stellen.
Trotz holprigen Starts erwarb sich Duisenberg in seiner Amtszeit mit der reibungslosen Einführung des Euro als Buch- und danach als Bargeld bleibende Verdienste. Dass er sich den wiederkehrenden Wünschen von Politikern nach einer lockeren Geldpolitik beharrlich widersetzte, trug ihm bei diesen Kritik ein, aber maßgeblich dazu bei, dass Europas Bürger dem Euro nach anfänglicher Skepsis vertrauten. Dafür zollt der Chef des ifo-Instituts, Clemens Fuest, der EZB Respekt. „Der größte Erfolg besteht darin, 20 Jahre lang eine stabile, verlässliche Währung bereitzustellen.“
Auf Jean-Claude Trichet warteten andere Herausforderungen. Anfangs legte er sein Amt grundsolide an. Er bestätigte seinen Ruf als Verfechter einer strikten Stabilitätspolitik, zelebrierte die verbale Langeweile und überließ die Showbühne Alan Greenspan, seinem Vis-à-vis in der US-Notenbank (bis 2006). Das ging gut, bis die Finanzkrise ausbrach, die sich zu einer bis heute nicht völlig überwundenen Krise der Eurozone entwickelte.
Im Herbst 2008 standen Trichet und seine Berufskollegen mit einem Schlag im Rampenlicht. Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers galt es, das Weltfinanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren. Das konnte durch ein koordiniertes Vorgehen in der Geldpolitik verhindert werden. Während die USA bald wieder in ruhigeres Fahrwasser zurückkehrten, ging es in der Eurozone erst richtig los. Im März 2010 erschütterte der griechische Premier seine Europartner mit der Offenbarung, Griechenland stehe vor der Pleite. Im Zuge der Rettungsbemühungen kam es zu dem, was als Sündenfall der EZB betrachtet wird. Trichet setzte durch, dass sie Staatsanleihen finanziell bedrängter Euroländer kaufte. Unerlaubte Staatsfinanzierung war das, kritisieren die Puristen der Geldpolitik, andere sagen, die EZB hatte keine Wahl. Richtig ist, dass ihr die heiße Kartoffel, ein Zerbrechen der Eurozone zu verhindern, von den Politikern der Mitgliedsländer zugeworfen wurde.
Was unter Trichet begann, weitete Nachfolger Mario Draghi noch aus. Mit ihm betrat die EZB das Gebiet der unkonventionellen Geldpolitik – mit milliardenschweren Wertpapierkäufen und Negativzinsen. Draghis Verdienst bleibt, dass er den Akteuren an den Finanzmärkten 2012 mit nur drei Worten – „whatever it takes“(siehe Kasten) – Einhalt beim Spekulieren gegen einzelne Euromitglieder gebot.
Viele halten der EZB vor, im Vergleich zu den USA zu spät und zu langsam reagiert zu haben. Daher werden die Zinsen in Europa wohl frühestens im nächsten Jahr steigen. Spätestens mit Ende der Amtszeit von Draghi im Herbst 2019 wird die EZB in eine neue Phase eintreten. Seinem Nachfolger wird die Aufgabe zufallen, die Geldpolitik zu normalisieren. Wer immer es wird, wird neben geldpolitischer Expertise auch das Glück brauchen, dass sich nicht so bald wieder eine tiefe Krise in der Wirtschaft einstellt.