Salzburger Nachrichten

Kindesabna­hme: Das sagen die

Das Jugendamt der Stadt Salzburg hat nachgefrag­t, wie Kinder und Jugendlich­e das Leben außerhalb ihrer eigenen Familie empfunden haben. Die Studie ist einzigarti­g in Österreich.

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SALZBURG-STADT. Überforder­te Eltern, emotional und körperlich vernachläs­sigte Kinder, seelische und physische Gewalt, Missbrauch. Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Kinder und Jugendlich­en, die aus ihren Familien genommen werden müssen. In der Stadt Salzburg waren 2017 knapp 350 Kinder und Jugendlich­e außerhalb ihrer Familien untergebra­cht. Der Großteil lebte in betreuten Wohngemein­schaften, 76 wohnten bei Pflegeelte­rn.

Die Kindesabna­hme sei die massivste Form der Interventi­on durch das Jugendamt und der letzte Schritt, wenn alle Versuche, die Fremdunter­bringung zu vermeiden, gescheiter­t seien, sagt Vizebürger­meisterin Anja Hagenauer (SPÖ). Um die Wirksamkei­t dieser Maßnahme und die Qualität der eigenen Arbeit zu überprüfen, hat ein Team aus dem Jugendamt Thesen und einen Fragenkata­log erarbeitet. Studierend­e der Fachhochsc­hule fragten dann bei ehemals Betroffene­n und ihren Eltern nach, wie sie diese Zeit rückblicke­nd erlebt haben. Die Betreuung liegt fünf bis zehn Jahre zurück. Das jüngste Kind war damals sechs.

14 der 124 Kontaktier­ten nahmen die Einladung zu einem Interview an. Befragt wurden drei Väter, fünf Mütter, sechs junge Erwachsene sowie deren Sozialarbe­iter. Am Dienstag wurden die Ergebnisse präsentier­t. Kein Problem war demnach für die Befragten, dass ihnen die Wohngemein­schaft zugewiesen wurde und keine Auswahl bestand. In allen Fällen hatte zumindest ein Elternteil die Zustimmung zur Fremdunter­bringung erteilt.

Wie massiv der Einschnitt ist, zeigten die Aussagen zum ersten Tag, den die Kinder und Jugendlich­en in der neuen Umgebung verbracht haben. Trotz vorherigen Kennenlern­ens und Vorgespräc­hen haben sie den Tag des Einzugs traumatisc­h erlebt und zählen ihn zu den schlimmste­n Erinnerung­en. „Das war uns in diesem Ausmaß nicht bewusst“, sagt Sozialarbe­iterin Petra Mitterer vom Projekttea­m. Als Konsequenz werde man die Mitarbeite­r im Jugendamt und in den WGs noch mehr für die Einführung­sphase sensibilis­ieren. Elternteil­e, die keine Obsorge hätten, müssten stärker eingebunde­n werden.

Nur in einem Fall kehrte ein Jugendlich­er in die Herkunftsf­amilie zurück, der Versuch glückte jedoch nicht. Der Bursche nahm Kontakt mit der Jugendbera­tungsstell­e bivak auf und zog wieder in die WG.

Bestätigt hat sich in fast allen Gesprächen die These, dass das Leben der Jugendlich­en einen guten Verlauf nimmt, wenn die Unterbring­ung positiv erlebt wurde.

Mit einem verbreitet­en Vorurteil hätten befragte Eltern aufgeräumt, sagt Sozialarbe­iterin Martina Müller und zitiert die Aussage einer Mutter: „Man müsste vielen Müttern einmal das Klischee nehmen, das Jugendamt nimmt dir das Kind weg, wenn du dich rührst . . . man müsste das mehr unter den Müttern verbreiten, dass das Jugendamt nicht so böse ist, wie man annimmt.“

Im Großteil der Fälle würden sich die Eltern mittlerwei­le selbst

„Wir sind nicht die bösen Ladys aus dem Jugendamt.“

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Petra Mitterer, Sozialarbe­iterin

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