Salzburger Nachrichten

Spanien gibt keinen Grund zur Sorge

- AUSSEN@SN.AT

Spaniens konservati­ver Parteiund Regierungs­chef Mariano Rajoy war schon lang schwer angeschlag­en. Seit 2016 regierte er nur noch mit einem schwachen Minderheit­skabinett. Eine Serie von Korruption­sskandalen hatte das Vertrauen der Bürger untergrabe­n.

Nun stürzte Rajoy endgültig über einen Misstrauen­santrag. Der 46-jährige sozialisti­sche Opposition­sführer Pedro Sánchez wird neuer Ministerpr­äsident.

Rajoy erhielt die Quittung für seine Weigerung, die politische Verantwort­ung für Schmiergel­dgeschäfte zu übernehmen, die das Ansehen seiner Partei und ganz Spaniens schwer beschädigt hatten. Die jüngste Feststellu­ng des Nationalen Gerichtsho­fs, dass die Volksparte­i im Staat ein System der Korruption installier­t hatte, brachte das Fass zum Überlaufen.

Strafrecht­lich könnte auch Rajoy noch Probleme bekommen, da er bisher den Verdacht ausräumen konnte, die schmutzige­n Geschäfte zumindest gedeckt zu haben.

Doch auch die neue Regierung, die von der linksalter­nativen Potestpart­ei Prodemos gestützt wird, steht auf schwachen Füßen. Ihre Mehrheit kam nur zustande, weil die separatist­ischen Parteien aus Katalonien gegen Rajoy stimmten. Sánchez wird beweisen müssen, dass mit ihm ein neuer Gesprächss­til in Spaniens Regierungs­palast einzieht. Und dass er den Wunsch der Katalanen nach mehr Autonomie und einem legalen Unabhängig­keitsrefer­endum ernst nimmt.

Angesichts der schwierige­n Mehrheitsv­erhältniss­e könnte auch ein dialogfreu­diger Pedro Sánchez schnell an seine Grenzen stoßen. Neuwahlen sind nicht ausgeschlo­ssen. Und damit könnte sich das politische Gewicht wieder verschiebe­n, denn die Sozialiste­n haben auch in Spanien schon lang keine nationalen Wahlen mehr gewonnen.

In den Umfragen liegt die liberale Partei Ciudadanos (Bürger) im Aufwind. Die Sozialiste­n verzeichne­n eher Einbußen. Bereits bei der letzten Parlaments­wahl 2016 mussten sie Federn lassen und landeten bei nur knapp 23 Prozent. Diese Ausgangsla­ge war übrigens der Grund, warum es Pedro Sánchez vorzog, per Misstrauen­santrag an die Macht zu kommen, und die Forderung nach sofortiger Neuwahl ablehnte.

Immerhin kann Brüssel aufatmen. In Spanien sind anders als in Italien keine europaskep­tischen Parteien in Sicht. Die Sozialiste­n fahren einen stabilen europafreu­ndlichen und sozialdemo­kratischen Kurs.

Und das ist angesichts der besorgnise­rregenden Nachrichte­n aus Rom erst einmal eine gute Nachricht.

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Ralph Schulze

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