Ein Hoffnungsträger für den Ausweis der Demokratie
Nach gefühlt ewigem politischen Stillstand ist die Medienenquete ein Licht am Ende des Tunnels. Sie wirft zumindest Schatten.
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Die Medienenquete am 7. und 8. Juni im Wiener Museumsquartier muss ein großes Ereignis werden. Der Zwang entsteht aus zwei Ursachen: Die Veranstaltung wurde im türkis-blauen Regierungsprogramm für Frühjahr 2018 angekündigt, und die frühere rot-schwarze Koalition ist vor einer von ihr geplanten solchen Arbeitstagung gescheitert.
Diese terminliche Selbstverpflichtung ist einerseits gut, damit endlich etwas weitergeht. Denn Österreichs Medienpolitik tritt seit vielen Jahren auf der Stelle. Die Fristsetzung noch vor dem EU-Vorsitz hat andererseits den Nachteil von Tempo-Überforderung des zuständigen Ministers. Im Sog wichtiger ORF-Veränderungen entsteht zudem ein viel zu dominanter Schwerpunkt.
Die Hetze, den oberflächlichen Eckpunkten ihrer Ankündigung zu entsprechen, gefährdet die inhaltlichen Ziele der Enquete: Ob die „breite Einbindung der Stakeholder der österreichischen Medienlandschaft“im Vorfeld gegeben war, mag noch als Geschmackssache gelten. Die ebenfalls festgeschriebene „Erarbeitung von Leitlinien für ein ORF-Gesetz neu“oder gar die „Definition von medienpolitischen Leitlinien für den Medienstandort Österreich im digitalen Zeitalter“wirken aber als schwere Überforderung dieser Veranstaltung. Sollten letztere zwei Punkte erfüllt werden, steht das im Gegensatz zu Ziel 1, der breiten Einbindung. Denn die Diskussion im Vorfeld war kaum öffentlich und vollkommen intransparent.
Medienminister Gernot Blümel versucht dieser Falle durch den Promi-Effekt zu entrinnen. Schon zum Auftakt sprechen Axel-SpringerVorstand Mathias Döpfner, Turner-Broadcasting-Chef Gerhard Zeiler und EU-Justizkommissarin Věra Jourová. Das werden schöne Reden. Für Schwerpunkte wie „Finanzierung und Förderung“oder „Demokratie und Digitalisierung“sind dann inklusive weiterer Vorträge und Panels je 90 Minuten vorgesehen. Da kann kein Ergebnis rauskommen, das nicht davor schon klar war. Dann aber diente die Enquete bloß als Tarnmantel für längst Beschlossenes.
Unter diesen Blickwinkeln wirft das große Ereignis seine Schatten vor allem in Form von vielen Schriftwerken voraus. Ein Public-ValueSammelband des ORF, eine Punktuation vom Verband der Privatsender, ein Game-ChangeBuch der Puls-4-Galionsfiguren, ein SPÖ-Konzept von Ex-Minister Thomas Drozda, ein offener Brief von vier NGOs: Gemeinsam ist allen Konzepten die ungewöhnlich konstruktive Art ihrer Kommunikation. Die Medienenquete wirkt als Hoffnungsträger. „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.“Das fälschlich Karl Kraus zugeordnete Zitat gilt mehr denn je.
Deshalb muss der selbst auferlegte Ergebniszwang einer Eigenverpflichtung der Regierung zur kontinuierlichen, konsequenten und transparenten Weiterbearbeitung weichen. Denn Medienpolitik ist ein Ausweis der Demokratie.