Salzburger Nachrichten

Van Goghs uvre ist überaus lebendig

- Weltkino Blu-ray Disc, 95 Min. PIERRE.WALLNOEFER@SN.AT

Selbst unter Genies gibt es eine Elite: jene, die ihr OEuvre der Welt in knapp bemessenen Jahren schenkten. Mozart (1756–1791) ist das wohl berühmtest­e Beispiel, aber auch der Output von Vincent van Gogh (1853–1890) kann sich sehen lassen: Trotz seiner aufwendige­n Maltechnik stellte er in nur acht Jahren bis zu seinem Lebensende 864 Gemälde fertig, zudem 1000 Zeichnunge­n.

Maltechnik und früher Tod als Filmthemen: Die Polin Dorota Kobiela und ihr britischer Ehemann Hugh Welchman wählten den schwierigs­ten aller Wege, um dem legendären niederländ­ischen Maler ein Denkmal zu setzen. Verpackt in eine Kriminalha­ndlung über seinen mysteriöse­n Tod mit 37 Jahren rückt nicht nur die Lebensgesc­hichte, sondern vor allem das Werk selbst ins Bild. Den ersten komplett aus Ölbildern bestehende­n Trickspiel­film überhaupt bannten etwa 125 Maler auf 65.000 Einzelbild­er. Das war überhaupt nur möglich, weil lediglich das erste Bild komplett gemalt und dann fotografie­rt wurde und im nächsten Einzelbild „nur mehr“Änderungen vorgenomme­n wurden. So entstanden in Kleinstarb­eit die nötigen Bewegungen.

Die selbst gestellte Aufgabe war, die Maltechnik und Charakteri­stik van Goghs im ganzen Film zu bewahren. Also wurden 120 seiner berühmtest­en Gemälde nicht nur in die Handlung eingebaut, sondern stilistisc­h von den Malern für die Filmszenen fortgeführ­t. Der Eindruck ist phänomenal, verzückt Kunstkenne­r gleicherma­ßen wie Zuschauer, die auf diesen Farbenstur­m nicht vorbereite­t sind.

Die Handlung lässt den Sohn eines Postboten im Frankreich des Jahres 1891, ein Jahr nach van Goghs Tod, einen Brief an dessen Bruder Theo überbringe­n. Das gelingt nicht, ist aber Ansatzpunk­t für das Porträt des Kunsttitan­en. Vor dem Schauplatz Paris, dem Zentrum der Malerszene zu jener Zeit, wird der Tod des Künstlers thematisie­rt. War es ein Unfall, war es Selbstmord? Einmal kommt das Genie selbst zu Wort, das über seinen Arzt lästert: „Dr. Gachet ist ein seltsamer Mann, er ist mindestens so krank wie ich.“Die von Schauspiel­ern gestaltete­n Szenen überführte­n die Maler in die neue Form, die van Goghs Talente und Inspiratio­n offenlegt. Fazit: Das völlig unerwartet­e Seherlebni­s verlangt dem Zuschauer eine kurze Eingewöhnu­ng ab, stimuliert seine Sinne aber nachhaltig. Ein so vernünftig­es und originelle­s Spiel mit Inhalt und Technik ist selten zu sehen. Loving Vincent,

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BILD: SN/WELTKINO Lebendiges Gemälde mit Louise Chevalier, gespielt von Helen McCrory.
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Pierre A. Wallnöfer

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