Van Goghs uvre ist überaus lebendig
Selbst unter Genies gibt es eine Elite: jene, die ihr OEuvre der Welt in knapp bemessenen Jahren schenkten. Mozart (1756–1791) ist das wohl berühmteste Beispiel, aber auch der Output von Vincent van Gogh (1853–1890) kann sich sehen lassen: Trotz seiner aufwendigen Maltechnik stellte er in nur acht Jahren bis zu seinem Lebensende 864 Gemälde fertig, zudem 1000 Zeichnungen.
Maltechnik und früher Tod als Filmthemen: Die Polin Dorota Kobiela und ihr britischer Ehemann Hugh Welchman wählten den schwierigsten aller Wege, um dem legendären niederländischen Maler ein Denkmal zu setzen. Verpackt in eine Kriminalhandlung über seinen mysteriösen Tod mit 37 Jahren rückt nicht nur die Lebensgeschichte, sondern vor allem das Werk selbst ins Bild. Den ersten komplett aus Ölbildern bestehenden Trickspielfilm überhaupt bannten etwa 125 Maler auf 65.000 Einzelbilder. Das war überhaupt nur möglich, weil lediglich das erste Bild komplett gemalt und dann fotografiert wurde und im nächsten Einzelbild „nur mehr“Änderungen vorgenommen wurden. So entstanden in Kleinstarbeit die nötigen Bewegungen.
Die selbst gestellte Aufgabe war, die Maltechnik und Charakteristik van Goghs im ganzen Film zu bewahren. Also wurden 120 seiner berühmtesten Gemälde nicht nur in die Handlung eingebaut, sondern stilistisch von den Malern für die Filmszenen fortgeführt. Der Eindruck ist phänomenal, verzückt Kunstkenner gleichermaßen wie Zuschauer, die auf diesen Farbensturm nicht vorbereitet sind.
Die Handlung lässt den Sohn eines Postboten im Frankreich des Jahres 1891, ein Jahr nach van Goghs Tod, einen Brief an dessen Bruder Theo überbringen. Das gelingt nicht, ist aber Ansatzpunkt für das Porträt des Kunsttitanen. Vor dem Schauplatz Paris, dem Zentrum der Malerszene zu jener Zeit, wird der Tod des Künstlers thematisiert. War es ein Unfall, war es Selbstmord? Einmal kommt das Genie selbst zu Wort, das über seinen Arzt lästert: „Dr. Gachet ist ein seltsamer Mann, er ist mindestens so krank wie ich.“Die von Schauspielern gestalteten Szenen überführten die Maler in die neue Form, die van Goghs Talente und Inspiration offenlegt. Fazit: Das völlig unerwartete Seherlebnis verlangt dem Zuschauer eine kurze Eingewöhnung ab, stimuliert seine Sinne aber nachhaltig. Ein so vernünftiges und originelles Spiel mit Inhalt und Technik ist selten zu sehen. Loving Vincent,